Organ-Absenkung
Koro gestern, da musste man ja den Kopf schütteln. Diese primitiven Völker! Aber Arroganz ist fehl am Platz. Man muss nur eine Geschichte der psychosomatischen Medizin bei uns durchlesen (wie ich Edward Shorter, Moderne Leiden, 1992), um zu erkennen, dass westliche Ärzte im 19. Jahrhundert und zu Anfang des 20. noch locker Krankheiten erfanden, ohne dass es Anhaltspunkte dafür gab.
Und kaum war die Krankheit in der Welt, fanden sich auch schon Patienten, die meinten, die betreffenden Symptome an sich wahrnehmen zu können. Das ist ja kein Wunder. Immer gab es dieses unselige Zusammenwirken von Arzt und Patient, wodurch nicht existente Leiden Leben erhielten, und heute wirken da noch die Medien und das Internet mit. Manchmal meint man fast, es sei unnormal, gesund und ohne Beschwerden zu sein.
Bei Koro zieht sich angeblich der Penis in die Bauchhöhle zurück. Innere Bewegung von Organen waren natürlich schwer dingfest zu machen, aber einbilden konnte man sie sich. Von 1860 bis 1900 herrschte die Theorie des Ganzkörperreflexes. Eine Störung in einem Organ konnte ein beliebiges anderes Organ in Mitleidenschaft ziehen, vermittelt durch die Nerven in der Wirbelsäule. Da alles jedes beeinflussen konnte durch eine Art »Reflexbogen«, konnte also alles Mögliche behauptet werden.
Der Arzt bei einem Eingriff. Karikatur aus London, Jahr unbekannt (Library of Congress, Wash. D. C.)Man wusste eigentlich nichts, aber der Arzt mit seiner gottgegebenen Omnipotenz wusste immer etwas. Und die Patienten waren ja auch begierig, eine Erklärung zu haben, und leider kam es dann zu unsinnigen Eingriffen und Behandlungen. Zum Beispiel Organabsenkung schreibt Edward Shorter:
»Ein Erich Kehrer in Heidelberg, Geburtshelfer wie sein berühmter Vater Adolph Kehrer, war von der Realität der Reflexneurose überzeugt, auch wenn er den Ausdruck selbst nicht gebrauchte. In einer 1905 veröffentlichten großangelegten Abhandlung über die Beziehungen zwischen dem Verdauungstrakt und den weiblichen Genitalien trug Kehrer die These vor, dass eine ›Spalanchnoptose‹ (Eingeweidesenkung) – etwa ein in den Unterleib abgesackter Magen oder verrutschte Nieren – eine Labilität des Zentralnervensystems hervorrufen und diese wiederum per Reflex Hysterie verursachen könne.
Die Therapie: ein chirurgischer Eingriffin die Bauchhöhle zu dem Zweck, die abgesackten Organe ›hochzuhieven‹. Die Spalanchnoptose spielte in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im Diskurs der akademischen Heilkunde eine gewichtige Rolle und verschwand daraus erst, als durch Röntgenaufnahmen erwiesen war, dass selbst größere Unterschiede in der Lage von Magen, Nieren und so weiter durchaus im Normalbereich lagen.« (S. 87/88)
am 5. März 2014 um 08:16 Uhr.
Der echte Wahnsinn und eine Erblast aus dem vorletzten Jahrhundert ist aber die Homöopathie – die ja damals nur deswegen Wirkung zeigte, da es besser war nichts zu tun als sich von Quacksalbern behandeln zu lassen – und dass dieser Wahnsinn bis heute noch mit einem Tabu bedacht ist und sogar von Krankenkassen finanziert wird – es ist gar nicht mehr Wahnsinn – es ist reiner Stumpfsinn und ein Zeichen dafür was die Menschen sich so alles rein reden und wie sich lenken lassen.
am 5. März 2014 um 18:59 Uhr.
Hallo Hans! Ich bin nun kein Fachmann für Homöopathie, aber die Sache so plaktaiv heruznterzuputzen, ist sicher unangemessen. Ich hätte nur einen Aufsatz von Harald Walach (Link unten) zu bieten, der seit 20 Jahren über Homöopathie forscht. Dass man versucht, ein Mittel für einen spezischen Menschen (und nicht für eine Krankheit) zu finden, ist ja etwas Neues und Nachdenkenswertes. Grüße Manfred.
http://harald-walach.de/methodenlehre-fuer-anfaenger/10-plausibilitaetsbias-und-die-weit-verbreitete-meinung-homoeopathie-sei-widerlegt/
am 6. März 2014 um 12:51 Uhr.
Na Ja Manfred, da möchte ich auf den heutigen Artikel in der Zeit verweisen
http://blog.zeit.de/mathe/allgemein/mathe-statt-goethe/
Goethe hat 20 Jahre lang Farbenlehre studiert und nicht begriffen in welcher Sackgasse er rotierte – so ist es auch mit dem Walach –
schlussendlich besteht der Mensch aus Zellen und Medizin ist im Prinzip für die Zellen – spätestens bei der Organtransplantation merkt man dies – den Menschen an sich, den Geistigen, nun der kann sich alles Mögliche denken, ob es Sinn macht oder Unsinn, wie bei Goethe oder jetzt wohl auch Walach lässt sich heute in der Praxis leicht prüfen – es muss sich bewähren und nicht nur in der Einbildung.