Wiedergefundene Fahrräder

Heute und morgen kann, wer sich zufällig in Mailand aufhält, die Ausstellung Biciclette ritrovate (wiedergefundene Fahrräder: also alte) bei Cicli Rossignoli am Corso Garibaldi 71, mitten im Zentrum, begutachten Ich war vor fünf Jahren dort, und es hat mir sehr gefallen. Bei cycling4fans gibt es einen Artikel mit meinen damaligen Impressionen.

Damals passte es gut, es war das 100.jährige Jubiläum des Giro d’Italia. Spontan habe ich eine Zugfahrt nach Mailand gebucht, und dann war ich ratlos, denn Hotelzimmer gab es eigentlich nicht, da zur selben Zeit die berühmte Möbelmesse stattfand. Ich kriegte dann noch eine Kammer unter einem Dach zum Wucherpreis von 150 Euro.  

Der Anfang zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts

Im Jahr 1900 wurde das legendäre Geschäft gegründet, das auch die große Krise 1929 überlebte. Durch Bomben im Zweiten Weltkrieg wurden drei Filialen zerstört. In den 1950-er Jahren war Radfahren überlebenswichtig, danach kamen die Autos, bis in den 1980-er Jahren das Rad nur noch Sportgerät war. Doch auch Rossignoli wartet auf die »grüne Revolution«, die ganz naturgemäß in den nächsten Jahren eintreten müsse, und dann werde das Radfahren eine kluge Entscheidung sein, nachhaltig im wirtschaftlichen und ökologischen Sinn, elegant und schick noch dazu.  (Foto: Giovanna Rossignoli)

Das ist die Utopie des Radliebhabers, und es ist wie mit dem Wassermannzeitalter, das Esoterik-Anhänger schon vor 30 Jahren heraufdämmern sahen, während heute nichts davon zu verspüren ist. Aber wir sind dennoch viele. Bei Rossignoli sind es fünf Generationen. Die Kinder von Sergio Rossignoli sind Giovanna, Renato und Giorgio. »Maestro des Rads« nennen sie Giovanni, der groß gewachsen ist und Brille trägt. Tradition ist schön: Ercole ist der Nachfolger oder Erbe von Rolando, der 25 Jahre Chefmechaniker war und seinerseits Carletto nach 20 Jahren Dienst ablöste. Dann gibt es noch Ercoles schweigsamen Helfer Arturo aus Peru, den sie »König Arthur« nennen, Piero von der Abteilung Bekleidung und Motorradzubehör (2011 »bester Verkäufer Mailands« laut der Zeitung Corriere della Sera) zusammen mit Massimo (Max) sowie Matia und Mattes. Schade, dass ich die Truppe nicht kennenlernen werde. Ich kann aber ja mal vorbeischauen. (Illustration: Werkzeug eines Fahrradkonstrukteurs in Gröbenzell).

Bei Biciclette ritrovate gibt es immer Musik und auch Lesungen, etwa aus dem Buch Tutti primi sul traguardo del mio cuore von Fabio Genovesi und Giovanni Cuniolo »Manina« von Claudio Gregori. Die Fotos auf der Seite mit dem Programm sind von Claudio Beghi. Die alten Räder sind so stabil gebaut und so einfach, dass sie auch nach 100 Jahren noch munter rollen. Autos, die das mit 100 Jahren noch tun, gibt es kaum mehr.

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