Der Tod in Rom
Natürlich musste ich auch noch Der Tod in Rom von Wolfgang Koeppen lesen, sein Meisterwerk von 1954, da ja mein Buch ähnlich heißt. Ich wollte wissen, worum es darin geht. Kann man das Buch heute noch lesen? Das ist ja 60 Jahre her.
Natürlich bietet Koeppen große Sprachkunst und eine packende Handlung, für die Rom der Schauplatz ist. Koeppens düstere Hauptgestalt Gottlieb Judejahn ist SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler nachgebildet, dem NS-Verbindungsoffizier bei Benito Mussolini und späteren grausamen Polizeichef von Rom. Ferner treten auf der Oberbürgermeister einer deutschen Stadt, Pfaffrath, der zur Nazizeit sich aus allem heraushielt, und dessen Sohn Siegfried, ein Komponist, Judejahns Sohn Adolf (nun Priester), der Dirigent Kürenberg und seine Frau Ilse, deren Familie. Kaufhausbesitzer, unter den Nazis in die Lager getrieben wurde.
Geschrieben ist das feurig und fiebrig, mit dem Mittel des streams of consciousness, den Virginia Woolf salonfähig machte. Sätze sind aneinandergereiht, Splitter und Impressionen, und man braucht dazu beim Lesen eine Konzentration, die man heute kaum mehr aufzubringen in der Lage ist. Natürlich geht es wieder um die Täter, wie sich sich rechtfertigen und sich wieder im Leben eingerichtet haben; doch die Abrechnung wird kommen.
Am Tiber entlang, hinunter in die Katakomben, hoch die Via Veneto, Verstrickungen und Rückblicke, und am Ende fallen Schüsse, da triumphiert der Tod in Rom. Judejahn hat sich vergessen, aber der Tod vergisst ihn nicht.
Auch am Ende von Billard um halbzehn von Heinrich Böll wird es gewaltsam. Aber nur ein Schuss fällt. Anscheinend ist Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit mit Gewalt verknüpft, auch bei sanften Schriftstellern. Das Buch des späteren Literatur-Nobelpreisträgers erschien 1959, also fünf Jahre nach Koeppens Rom-Tod-Roman, und der Stil ist ähnlich, es war offenbar die Art, wie man nach dem Krieg schrieb: fiebrig, dicht, expressionistisch, ausufernd.
Da gab es zwar das Schlagwort Kahlschlagliteratur für Autoren wie Wolfgang Borchert, die sparsam und nüchtern schrieben, und es gab die karg anmutende Lyrik von Günter Eich, während die Prosa sich radikal subjektiv gab. Zu den beiden erwähnten Büchern könnte man noch Sansibar und der letzte Grund von Alfred Andersch nennen (1957), in dem auch mehrere Protagonisten aus ihrer Warte berichten. Der allmächtige Erzähler à la Thomas Mann hatte abgedankt.