Wer bin ich? Bin ich alle?

Bin ich auch mein Nachbar? Bin ich … viele? Bei dem Physiker Michio Kaku fand ich die Nacherzählung einer Erzählung des US-Science-Fiction-Autors Robert Heinlein (1907-1988), die mit dem Thema spielt. Hat mich schon immer fasziniert.

Ich erzähle die Nacherzählung der Erzählung mit eigenen Worten nach:

Vor einem Waisenhaus in Cleveland wird 1945 ein weiblicher Säugling ausgesetzt. Das Kind wächst als Jane heran und verliebt sich im Jahr 1963 in einen Tramp, von dem sie schwanger wird. Während der Vater verschwindet, bekommt Jane ihr Kind. Dabei müssen die Ärzte ihr Leben retten und wandeln sie, die beide Geschlechtsorgane besitzt, in einen Mann um. Das Baby wird geraubt. Jane wird zur Trinkerin und erzählt 1970 ihre Geschichte einem Barkeeper, der ihr vorschlägt, dem Zeitreise-Korps beizutreten. Auf einer Reise mit dem Barkeeper lernt er (Jane) 1963 eine junge Waise kennen und fasst Zuneigung zu ihr. Sie wird schwanger; die beiden rauben das Baby und fahren zurück ins Jahr 1945, um es vor dem Waisenhaus abzuladen. Dann geht es voran ins Jahr 1985. Jane wird Mitglied des Zeitreise-Korps, nimmt die Tarnung eines Barkeepers an und fliegt ins Jahr 1970 zurück, um in der Bar einen verwahrlosten Mann zu treffen.

Darstellung aus dem Maskenmuseum Ambalangoda (Sri Lanka, 2005)

Darstellung aus dem Maskenmuseum Ambalangoda (Sri Lanka, 2005)

Kaku kommentiert: »Alle genannten Personen sind ein- und dieselbe. Die Paradoxa sind wahrhaft schwindelerregend, vor allem wenn wir versuchen, Janes verwickelte Herkunft zu enträtseln. … Sie ist ihre eigene Mutter und ihre eigener Vater, sie ist ein ganzer Familienstammbaum.«

DSCN5508Dann gibt es einen Strang von Geschichten in Robert Monroes Buch Über die Schwelle des Irdischen hinaus, der mich sehr interessiert hat und den ich auf manipogo noch nicht erwähnt habe. Monroe unternahm 40 Jahre Reisen außerhalb des Bewusstseins. Manchmal stieß er auf einen Sterbenden und nahm ihn nach dessen Tod mit sich fort, um ihn zu retten … und verlor ihn wieder. Er ist ratlos. Ein Weiser erklärt ihm, er versuche immer wieder, ein früheres Selbst zu retten, doch oft glaube so ein Selbst nicht an das Leben nach dem Tod und verschwinde. Ihm wird gesagt, der endgültige Abschied sei für das 35. Jahrhundert geplant.

»Wir können jedoch nicht aufbrechen, bevor wir nicht alle Teile jedes einzelnen Ich-Dort in unserem Bündel wieder versammelt haben – eine ungeheure Aufgabe.« Ein Ich-Dort ist eine Inkarnation aus anderen Zeiten und Welten. Robert Monroe versuchte also jedes Mal, sich selbst zu retten.

Eines Tages trifft Monroe eine Frau, die ihn ins (nicht hinters) Licht führt.

Am Rand des Lichtfeldes waren Gesichter, die zu mir hochsahen, viele hunderte, so weit mein Auge reichte. Sie waren voller Erwartung. Die Schwingung, die ich als Liebe kenne, war überwältigend. Ich stand ganz ruhig da, äußerst unsicher, was von mir erwartet wurde. Dann, plötzlich, während ich da stand, übernahm ein anderer Teil von mir die Kontrolle, und ich entspannte mich. Jener andere Teil begann zu sprechen:

»Ich hatte keine Ahnung, dass wir so viele sind. … Die wichtige Gewissheit ist die eine, die uns zusammengebracht hat. Dass wir nicht nur mehr sind als unser physischer Körper, sondern dass wir uns befreien können von allen im Erdenleben entstandenen Glaubensinhalten … Diese Freiheit ist eine wirklich aufregende Sache … Meine Rolle ist eine weitere Gewissheit. Sie ist nicht die eines Anführers … «

Monroe hält sich eher für einen Katalysator. Er schreibt: »Es war die Prämisse: das Sammeln und Wiedervereinigen der ›Teile‹, nicht allein der vermissten in meinem eigenen Ich-Dort, sondern der Teile des gesamten Ich-Dort-Bündels, mit dem ich verbunden bin. Ich habe keine Vorstellung davon, wie viele andere in diesem Bündel sind: möglicherweise tausende oder hunderttausende. DSCN5084

Wenn Jean Charon sagt: Ich bin mein Nachbar, dann meint er, dass wir etwas Grundlegendes gemeinsam haben, die unsterbliche höhere Seele. Ich bin in diesem Moment ich, und eine frühere Inkarnation ist nur ein anderer Ausdruck meiner Seele oder auch nur eines Teils meiner Seele – etwas wie eine Rolle, an die sich ein Schauspieler erinnert: eine Facette seines Wesens. Ein anderer Name, andere Lebensumstände … stellen wir uns vor, wir wären in Khartum zur Welt gekommen, als Kind eines Stuffhändlers im Souk. Wir würden anders aufwachsen, andere Dinge tun – und doch auf unsere unverwechselbare Weise. Wir würden uns in einer anderen Welt dennoch auf unsere Art und Weise verwirklichen.

Oder wir hätten eine andere Entscheidung getroffen, uns für eine andere Frau entschieden … alles wäre anders, aber wir hätten uns dennoch zur Geltung gebracht, hätten uns eben neu verwirklicht. Vielleicht wird es uns ermöglicht,  diese anderen Möglichkeiten nicht nur zu denken, sondern sie tatsächlich zu leben? Die Erinnerung daran fehlt uns. Hätten wir sie, würde sie uns stören und blockieren. Schon bei Plato trinken die Seelen das Wasser des Vergessens und beginnen eine neue Reise. Das alles ist ganz schön verrückt, aber nicht undenkbar.

Hugh Everetts Viele-Welten-Theorie von 1957 hat dies physikalisch begründet, und niemand konnte ihr widersprechen. Allerdings gibt es hier einen Einspruch von Michio Kaku, dem Physiker. Wenn ich eine Entscheidung fälle, entstehen zwei Welten, ja; doch ich befinde mich in dieser, und eine Kommunikation mit der anderen Welt, in der ich mich anders entschieden habe und anders lebe, ist nicht möglich. Folglich haben wir keinen Beweis, dass es diese anderen Welten gibt und sollten die Theorie beiseite legen, meinte Kaku — wie es Everetts Doktorvater John Archibald Wheeler tat: Die Viele-Welten-Theorie erfordere »zu viel metaphysisches Gepäck«.
Weitere Beiträge zum Thema:
Zwillingsforschung; Gute Frequenz; Die Tür in der Wand (1); Flugverkehr (2).

 

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