Licht werde es

Erkenntnis, Weisheit, heilige Namen und Magie — das könnte für manipogo im Februar ein Schwerpunkt werden. Ein schönes Zitat von Jorge Luis Borges (1899-1986) konnte ich gestern nicht mehr unterbringen, es hat einen extra Platz verdient. Borges, der halbblinde Leser und Seher und Autor aus Argentinien, ist der Bewunderung wert. Einmal habe ich seine Grabstätte besucht.

In einem Beitrag habe ich seine Neigung zu den Irrealitäten geschildert, und er hielt eigentlich die ganze Welt für irreal; in einem anderen ging es um Borges und das Vergessen, und erwähnt war, dass das Alphabet und das Labyrinth eine große Rolle in seinem Schaffen spielten.

Im Herbst 1967 und im Frühjahr 1968 sprach Jorge Luis Borges vor amerikanischen Studenten über die Literatur, sprach zu ihnen vom Rätsel der Poesie, von der Metapher und der Musik, die ein Text sein kann. Ein Text kann auch magisch wirken, und Vladimir Nabokov — sein Grab besuchte ich damals, 2015, auch — hat das geradezu von einem Text verlangt: Er müsse Magie in sich haben. Borges sagte also:

023Da ich von den Juden gesprochen habe, kann ich ein weiteres Beispiel des jüdischen Mystizismus anbringen, die Kabbala. Den Juden war es offensichtlich, dass die Wörter Macht hatten. Das ist die Idee hinter allen Geschichten über Talismane, übers Abrakadabra und Geschichten, die sich in Tausendundeiner Nacht finden. Sie lasen im ersten Kapitel der Torah: »Gott sagte, es werde Licht, und es ward Licht.« Ihnen schien es demnach natürlich, dass in dem Wort »Licht« eine Kraft steckte, die fähig war, das Licht über alle Welt erstrahlen zu lassen, eine Kraft, die etwas erschaffen, die Licht erzeugen konnte. Ich habe über dieses Problem des Gedankens und des Signifikats nahgedacht (ein Problem, das ich natürlich nicht lösen werde). Erst haben wir gesagt, dass in der Musik man den Klang, die Form und den Inhalt nicht voneinander trennen kann. dass sie in der Tat ein und dieselbe Sache sind. Man kann sich vorstellen, dass es sich in einem gewissen Sinn in der Poesie ebenso verhält. 

Dass der Schöpfer auf die erwähnte Weise es hell werden ließ, sagt nur etwas aus, was Menschen über die Welt dachten und die Kraft der Worte. Borges sprach vermutlich von »Light«, in meinem italienisch übersetzten Buch heißt es »luce«, in Borges‘ Muttersprache »luz« und bei uns »Licht«. Auf Arabisch heißt der Satz, in unserer Lautschrift verfasst, so:

qâla’llâhu liyakun nûrun fakâna nûrun.

maroc1 421A»Nur« heißt Licht auf Arabisch. Da hätten wir schon fünf magische Wörter, und welches ist am mächtigsten? Oder spielt es keine Rolle, welches Wort man verwendet, wenn nur die Intention mächtig genug ist? Jede Sprache ist ein eigenes symbolisches und magisches System. Die Juden hielten natürlich ihre Sprache, das Althebräische, für die größte und vieler Dinge fähig. Über diese Sprache muss ich irgendwann einmal mehr sagen.

Bei magischen Zeremonien soll man zunächst durch Anrufungen böse Geister fernhalten und gute anlocken, dann die Situation, die man beeinflussen will, sich im magischen Kreis vorstellen und darstellen (durch magische Objekte) und schließlich durch Zaubersprüche darauf hinwirken, sich das Universum »geneigt zu machen«. Absicht und der Willen sind dabei alles; wie beim Beten werden die Worte durch intensives Wünschen und sich Sehnen aufgeladen und könnten auf die Welt einwirken. Es geht also nicht um die Wirkung eines Worts, sondern um das ganze Setting. Bloß intensives Wünschen bliebe zu vage; der Drang muss sich in Worten äußern, die ein konkreter Kanals sind und dann womöglich still ihre Wirkung tun.

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