Gott und die Berliner Mauer

Gott der Dritte, mit ganzem Namen J. Richard Gott III, hat 2001 das Buch Time Travel in Einstein’s Universe veröffentlicht. Der Physik-Professor aus Princeton jagt seine Leser durch oszilierende und inflationäre Modelle des Kosmos, durch die De-Sitter-Raumzeit und das Rindler-Vakuum, doch am Ende macht er es wieder spannend. Gott besuchte 1969 die Berliner Mauer und berechnete, wie lange sie wohl halten würde.

Dazu zog er die 50-Prozent-Version der Kopernikanischen Rechnung heran. Das geht so: Wenn ich nicht etwas Besonderes in einer besonderen Situation bin, dann werde ich so mittendrin sein, also in den mittleren 50 Prozent der Dauer der Mauer; nicht in der ersten Phase (25 Prozent) und nicht in der letzten (auch 25 Prozent). Wenn er 1969, acht Jahre nach Entstehung, zufällig gerade am Ende der ersten Phase die Mauer erlebte, müsste sie längstens noch die dreifache Zeit halten, also 3 Mal 8 = 24 Jahre. Bis 1993. Gut gerechnet, denn 1989 fiel sie, das wissen wir. 

So könne man die Dauer von allem berechnen, was uns wichtig sei, meint J. Richard Gott III. Wenn ich vor drei Monaten eine Beziehung zu einer Frau eingegangen wäre, kann ich Kopernikus 95 benutzen: Ich befinde mich nicht mehr am Anfang der Beziehung, sondern in den 95 Prozent mittendrin. Die ersten 2,5 Prozent sind vielleicht diese 3 Monate; dann wäre die längste Dauer 120 Monate oder 10 Jahre. So kann man sich sein Leben schönrechnen (Mit der 50er-Methode: 12 Monate)  

Ja, die wahrscheinliche Dauer von Regierungen, Bauwerken und Institutionen könne man auf diese Weise berechnen. Für die Menschheit hat Gott das auch durchexerziert, und er gibt uns mindestens noch 5100, höchstens 7,8 Millionen Jahre. Da ist er weitaus optimistischer als der Astronom Brandon Carter, der Gotts 1993-er Arbeit in der Zeitschrift Nature positiv bewertete und bei seinen eigenen Schätzungen sich auf Reverend Thomas Bayes (1701-1761) berief, auf dessen Bayessche Statistik.  

Wüste? Nur noch 5100 Jahre?

J. Richard Gott III beklagt in seinem Buch von 2001, dass die Menschheit die Raumfahrt nicht mehr intensiv verfolge. Eine Kolonie in Marsnähe zu gründen sei nicht allzu schwierig. Man schaffe acht Leute dorthin, statte sie mit allem Notwendigen aus, und wenn sie sich vermehren (man kann ihnen auch eingefrorenes Sperma mitgeben), dann hätte man in absehbarer Zeit 1800 Menschen dort. Das Zeitfenster der Raumfahrt sei klein; wenn man zu lange warte, könne es zu spät sein.  

Aber die Menschheit begreift das nicht. Die Staatschefs (und eigentlich alle) sind wie Kinder, die sich um ihr Spielzeug sorgen und sich mit anderen um die Spielsachen balgen, während die Gewitterfront schon über ihnen steht. Gehandelt wird nur in allerhöchster Not. Dann wird es bestimmt zu spät sein.

 

Der Autor, besorgt, im Bundestag (Lübeck, Willy-Brandt-Haus, 2010)

Berechnen wir noch mit Kopernikus.95 die vermutliche Lebensdauer von manipogo: Angenommen, nach sieben Monaten befinden wir uns bei 2,5 Prozent der Laufzeit laut Kopernikus 95, dann komme ich auf eine maximale Lebensdauer von 280 Monaten, was etwa 23 Jahren entspricht. Das ist genau der Zeitraum, der mich noch von der durchschnittlichen Lebensdauer eines männlichen Deutschen trennt. Das muss zu schaffen sein! 

 

   

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