Das JOTT-Phänomen

Hilary Evans schildert in seinem Buch Sliders ― über Menschen, die Straßenlaternen zum Erlöschen bringen ― auch das JOTT-Phänomen, und das ist recht kurios. Es geht um Dinge, die (nicht immer unwiderruflich) verschwinden, und JOTT steht für Just One Of These Things: Nur eins dieser Dinge.

Heute ist der Nationalfeiertag. Da ist vor 27 Jahren ein großer Teil unseres Landes, den wir für verloren geglaubt und schon abgebucht hatten, wieder aufgetaucht. Hey, wo kam der denn her? Und zuletzt war es schon zum Verrücktwerden: Eines Montags kam ich zu einem Fahrradunfall, und eine junge Frau suchte verzweifelt ihr Handy (das eine Zeugin, die sich als Polizistin verstand, eingesteckt hatte); zwei Tage später waren plötzlich meine Pfeifenstreichhölzer und das Feuerzeug verschwunden, höchst wichtige Utensilien für den Raucher (sie sind seither nicht wieder aufgetaucht); dann fehlte der Schlüssel meiner Mutter (und fand sich im Speisesaal unter ihrem Stuhl wieder); und in der Universitätsbibliothek meinte ich plötzlich, mein Ausweis sei verschwunden. Panik! Ein junger Mann vermisste seine Geldbörse. Beides tauchte wieder auf (ich hatte den Ausweis doch eingesteckt, halte es aber für möglich, dass er tatsächlich eine Weile in einer anderen Dimension war). Zehn ziemlich chaotische Tage.

Hoffentlich fehlt da nichts! Ausschnitt aus einem Foto vn Robert Doisneau

Hoffentlich fehlt da nichts! Ausschnitt aus einem Foto von Robert Doisneau

Die Pionierarbeit über JOTT stammt von der Anwältin Mary Rose Barrington, Mitglied der Society for Psychical Research (SPR). Das jottle ist das Verschwinden von Objekten. Ein Gegenstand findet sich nicht mehr an dem Ort, an dem er für gewöhnlich liegt; manchmal kehrt er an ihn zurück, manchmal nie mehr, und manchmal liegt er plötzlich an einem Ort, an den man ihn nie hingelegt hätte.

Frau Barrington nennt comeback einen Artikel, der wieder da landet, wo er vermisst wurde ― oder an einem Ort nahebei. Der flyaway indessen taucht nie wieder auf. Hilary erinnerte sich an einen großen Küchenlöffel, der nicht so einfach verschwinden konnte, es aber tat. Er ward nie mehr gesehen. Der walkabout erscheint wieder: aber an einem ungewöhnlichen Platz.

Ein trade-in lässt am ehesten an eine Art Intelligenz denken, die da beteiligt ist und sich vielleicht die Energie eines Menschen zunutze macht. Denn nun liegt da ein Ding, das vage an das alte erinnert und wie ein schlechter Schauspieler wirkt, und man fragt sich: Wo ist es hergekommen? Das erinnert an die Materialisationen und Dematerialisationen bei Séancen. Bei dem Medium Alec Harris erschienen oft Blumen, die dann, als man nachforschte, einem Blumenladen nebenan entstammten.

Frau Barrington fasst zusammen: »Jott lässt an einen idealisierten Kosmos denken, der an und mit dem physischen Rohmaterial arbeitet, das unsere gewohnte Welt füllt. Obwohl diese anscheinend durch unveränderbare Gesetze regiert wird, können diese zuweilen zusammenbrechen und uns Blicke in ein anderes Niveau von Wirklichkeit schenken.«

Das Straßenlampen-Phänomen (SLI) werde ich noch gesondert vorstellen. Hilary habe ich vor langer Zeit kennengelernt, 1994 in Salzburg, und leider habe ich ihn nie in London besucht. Nun ist es zu spät, er ist 2011 gestorben, und hier haben wir einen Nachruf des Daily Telegraph.

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