Kein Ausweg

Wir sprachen von Depressionen. Viele leiden darunter und schleppen sich so hin; andere geben auf. Im Juni schieden die US-Modedesignerin Kate Spade und der Restaurantkenner und Filmemacher Anthony Bourdain aus dem Leben, und das war für viele ein Schock. Sie hatten mit Depressionen zu kämpfen gehabt.

Beide hatten viel zu tun, lebten in einer Beziehung und hatten je eine halbwüchsige Tochter. Nicht einmal das hielt sie am Leben; vielleicht kam eine dunkle Stunde hinzu, in der niemand helfen konnte, sie sahen keinen Ausweg – aber Selbstmord ist erst recht kein Ausweg. Die ungelösten Probleme nimmt man mit. Doch die Vernunft hilft in manchen Lebenslagen nicht. Da braucht man Glück oder einen Engel.

Zeitungen und Zeitschriften fügen am Ende von Suizid-Berichten stets eine Warnung an: Wenn Sie sich für gefährdet halten, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge oder lassen Sie sich helfen. Leider gibt es nach prominenten Selbstmördern eine Reihe von Nachahmetätern, die schon daran gedacht haben mögen. Ein amerikanischer Forscher hat sich die Zahl der Suizide vor und nach dem Tod von Robin Williams im August 2014 angeschaut und ermittelte, dass danach 1.800 Selbstmorde mehr zu verzeichnen waren, leider oft in der Art und Weise, die der Prominente gewählt hatte. Im vergangenen Jahr (am 18. Mai) nahm sich der Sänger Chris Cornell das Leben, und an dessen Geburtstag machte es ihm Chester Bennington nach, der den Tod des Freundes nie verwunden hatte.

Wir wissen ja, dass nach dem Tod des Torwarts Robert Enke im November 2009 in Deutschland viele Nachfolgetaten gab, weil die Medien so detailliert und tränenreich berichteten. Literaturnobelpreisträger und Hobby-Torwart Albert Camus (1913-1960) schrieb einmal in seinem Mythos von Sisyphos: »Es gibt nur ein wirkliches ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord.«

Friedhofsmauer, Civitavecchia (2015)

Friedhofsmauer, Civitavecchia (2015)

In Deutschland scheiden jedes Jahr 10.000 Menschen aus dem Leben. Das ist eine hohe Zahl. In den USA sind es gar 45.000. Die Depression ist eine Volkskrankheit, die um so besser versteckt wird, da Dynamik, Power und Erfolg so wichtig erscheinen. Alles wird heute versprochen, alles scheint möglich – da kann man schon mal das Gefühl haben, den Ansprüchen nicht zu genügen. Schon bei jungen Menschen ist die Angst groß, ins Abseits gestellt zu werden.

Die Gesellschaft kann da nichts tun; nur jeder einzelne kann auf die Botschaften seines Mitmenschen reagieren, sich wundern, sich Sorgen machen und das Problem ansprechen. Es gibt Psychopharmaka und alle möglichen Therapien, und nach dunklen Phasen kommt wieder eine helle. Bourdain etwa ließ in Gesprächen seine Verzweiflung durchblicken, so etwas kann man nicht völlig verstecken. In den Nachrufen schrieb eine Frau, er habe eine »permanente Lösung für ein temporäres Problem« gewählt. Den Betroffenen ist das nicht immer klar.

Sie sind unter Druck, wollen eigentlich bloß aussteigen, mal ihre Ruhe vor den Sorgen haben. Ach, könnte man mit seinen Zeilen nur ein einziges Leben retten! Jede Lösung ist besser als die endgültige. Man fügt den Menschen, die einen lieben, unendliches Leid zu; man hat durch seine Tat nichts gelöst, nur das Leid vermehrt. Kämpfen muss man! Dabeibleiben!

Denn, das sei auch noch gesagt, man belädt seine unsterbliche Seele mit schwerem Karma und wird in der jenseitigen Welt eine Weile nicht glücklich sein, eher noch unglücklicher. Jon Klimo und Pamela Rae Heath haben darüber 2006 ein Buch geschrieben: Suicide: What Happens in the Afterlife? Der Autor sammelte viele (mediale) Botschaften von Selbstmördern, die voller Reue waren und von dieem Schritt abrieten. Es ist ein wichtiges Buch, ein wahres Kompendium für das Menschheitsproblem, das die Selbsttötung darstellt.

Und dann schickten die White Crow Books noch einen Blogbeitrag von Michael Tymn: Suicide and the Life After Death Factor.  Der Autor zitiert andere, die den Atheismus der Massen und den fehlenden Glauben an ein Leben nach dem Tod ursächlich für die Verzweiflung am Leben halten; dazu kommen Einsamkeit und Konkurrenzdrang. Viele Patienten kamen zu Carl Gustav Jung, weil sie keine Bedeutung in ihrem Leben fanden. Tymn zitiert Victor Frankl, Giambattista Vico, Kierkegaard und Sigmund Freud. Die spirituelle Leere in unserer Zeit

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