György Konràd

Glück heißt ein Buch des ungarischen Schriftstellers György Konràd aus dem Jahr 2003, und Glück hatte, wer überlebte, damals, 1944 als Jude in Ungarn; zu sterben war ein Missgeschick. Die Vorsehung wollte er nicht bemühen, die Todesmühlen mit ihren Helfern und Helfershelfern ergriffen, wen sie konnten.

Ich habe schon in anderen Beiträgen (siehe unten) über die Tragödie der ungarischen Juden in jenem Sommer berichtet. Konràd war damals elf Jahre alt und ziemlich klarsichtig. Dafür musste man glauben, dass die Nazis Ernst machen würden mit unerbittlicher Härte. In Budapest würde man überleben können, die dortigen Juden würde man als letztes holen.

Sein geliebtes Dorf verlor den Nimbus der Heimat, da sie verstoßen wurden. Konràd schreibt:

Die Dorfbewohner hatten sozusagen kommentarlos zur Kenntnis genommen, dass die Juden eskortiert wurden. Es kam vor, dass jemand darüber lachte, wie sich die Alten mit ihrem Gepäck abmühten. Und tatsächlich, im Widerschein des im Krematoriums brennenden Feuers war es lächerlich, dass sie daran glaubten, ihre Sachen … noch zu brauchen, dabei bestand an all dem, um ihren nackten Leichnam zu verbrennen, absolut kein Bedarf.

In dem Buch Glück wird nichts beschönigt. Manchmal muss Sarkasmus herhalten.

Besonderes Lob gebührte den Eisenbahnern der Ungarischen Staatsbahnen für ihre vorbildliche Zusammenarbeit während der feindlichen Bombenangriffe. Binnen weniger Wochen rollten die Juden, in Güterzügen zusammengepfercht, außer Landes. Sechshunderttausend Juden in eingezäunten Stadtvierteln, von bewaffneten Posten bewacht, zu konzentrieren und dann in Güterwaggons abzutransportieren, eine logistische Meisterleistung, Grund genug, um das glückliche Gelingen zu begießen.

Von Konràds jüdischen Mitschülern kam keiner mehr heim. Familien wurden ausgerottet, auch Kinder ins Gas geschickt.

Die Kinder waren umgehend zu vernichten. Der Doktor [Mengele] winkte sie und all jene, die zu ihnen irgendeinen körperlichen Kontakt unterhielten, nach links, ähnlich wie ein Mensch die Hände zusammenschlägt, wenn im Sommer auf der Terrasse vor seiner Nase eine Mücke kreist. Nicht Kinder sah er in meinen Artgenossen, sondern Schädlinge.

György Konràd kehrte in sein Elternhaus zurück, hatte das Glück, es noch vorzufinden und seine Eltern noch in die Arme schließen zu können. Der Rest war deprimierend.

Das Dorf betrachtete seine geächteten jüdischen Mitbürger und all ihre Habe als sein Eigentum, es setzte Fremde in ihre Häuser, auf ihre Höfe und behandelte das Zwangserbe nachlässig.  

Weitere Beiträge zur Tragödie der ungarischen Juden:
Imre Kertész
Miklós Raknóti
Der Untergang der ungarischen Juden
Eichmann in Jerusalem

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.