Barcelona
An diesem Tag im Jahr 1992 hatten in Barcelona die Olympischen Spiele angefangen. Vielleicht waren es die besten Spiele ever. Und die Stadt hatte sich ziemlich radikal umgebaut, sich dem großen Event in die Arme geworfen, und jetzt bereisen jährlich angeblich 27 Millionen Menschen die Stadt, die nun merkt, dass sie ihre Seele an den Mammon verkauft hat. Aber wie die Flut stoppen? Alles ist über die Ufer getreten, und wie sagt man dem Töpfchen, das es nicht mehr weiterkochen soll?
Kürzlich war ich bei einem Treffen mit Nachbarn, Hausbesitzer, und in Barcelona waren sie alle schon mal, und einem fiel zu allererst ein, dass das Tagesticket für den Autoparkplatz 65 Euro kostete. Vielleicht haben alle das Kulturbedürfnis des Reisenden überschätzt. Barcelona ist hip, man weiß nicht mal warum, nur, dass man dort gewesen sein sollte. Für Parque Güell und die Sagrada Familia sollte man sich mit Gaudí auseinandersetzen, und die katalanische Unabhängigkeitsbestrebung (und ihre eigene Sprache, das catalans) ist auch Recherchen wert. Doch wer informiert sich, bevor er (oder sie) nach Barcleona reist? Der ganze Städtetourismus ist weitgehend Konsum, verkleidet als Kulturreise.
Das alte Barcelona steckt in den über 20 Romanen von Manuel Vázquez Montalbán (1939-2003) um den Detektiv Pepe Carvalho, und sein Schöpfer hat den Ausverkauf der Stadt miterlebt und geschildert. Fritz Schütte wollte hin, mietete ein Apartment, und ich – nach meinem Abschied von dpa – war dabei, vor den Spielen, und ich spielte auf einem Balkon der Altstadt Schach mit Eric, den dann ein Herzinfarkt niederstreckte, traf den taz-Korrespondenten mit seiner schwarzen Lederjacke in einer Kellerkneipe, und damals, 1991, war Rock à la Catalans der Renner, ein großes Konzert feierte ihn, und Fritz der Sprachenliebhaber ließ sich im Catalans unterweisen, und wir interviewten sogar den Kulturminister, mit unserem Spanisch kämpfend. Ach, Barcelona in der 30 Jahre alten Hymne mit Freddy Mercury und Montserrat Caballé!
Ich hätte dabeisein müssen, stieg aber aus, weil ich eine Frau kennenlernte, die mich erst verzauberte, dann aber lähmte und plattmachte. Das war eine dunkle Zeit. Viel dunkle Magie. Ich reiste mit einem Lastwagenfahrer ab, der sich verfuhr und wieder durch die Innenstadt kam, und ich dachte: Steigst du doch aus? Burkhard kam zu Besuch, ich kam mit, wir spielten Billard in den Bergen im Umland, wanderten an den Stränden umher und wussten nicht so richtig, was das alles sollte. Barcelona aber war noch ziemlich leer und verwunschen.
Nun ist der Zauber weg. Tausende ziehen über die Ramblas und belegen die Strände. Die ganze Welt hat in den vergangenen 30 Jahren ihre Unschud verloren und ist irr geworden in einem ziellosen Treiben. Man weiß schon lang nicht mehr, was das alles soll. Man bewegt sich, aber zu welchem Ziel?
Barcelona