Wie Jesus der Heiler zu Gott wurde

Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist. Deshalb wurden die Christen der Frühzeit beschuldigt, der Vielgötterei zu huldigen. Eine Substanz in drei Personen: die Dreifaltigkeit … Ist schwierig. Dass Jesus Christus Gott gleichkommt und wie dieser keinen Anfang hat, muss der Christ glauben. Wie kam es dazu? Geza Vermes zeichnet das in einem Buch nach, das im Verlag der Weltreligionen 2012 erschien.

Geza Vermes war ein Ungar mit britischer Staatsangehörigkeit. Seine Eltern traten vom Judentum zum Katholizismus über, er selber ließ sich sogar zum Priester weihen, wandte sich dann aber ab und dem Judentum zu, wurde Professor in Oxford. 2013, nach Erscheinen seines Buches, ist er, fast 90-jährig, gestorben. Ein Dutzend Bücher hat er Jesus gewidmet.

jezuufamtobieIn dem Werk mit dem schwerfälligen Titel Vom Jesus der Geschichte zum Christus des Dogmas legt er Wert auf die Feststellung, dass Jesus, der Jude, ein charismatischer Heiler und Prediger gewesen sei, der die Liebe zu und die Unterordnung unter einen gütigen Gott wollte. Eine Kirche hatte er nie im Sinn, und Messias und Gottes Sohn wollte er auch nicht sein. In den drei ersten Evangelien, die 70 Jahre nach der Kreuzigung geschrieben wurden, steht auch nichts darüber.

DSCN4026Paulus, der Völkerapostel, ging in die Offensive. Um Anhänger zu werben, stellte er vor den Heiden die Person Jesu heraus, wie es Journalisten gemeinhin tun.  Johannes, ein Mann aus Kleinasien, kam dann um 110 mit seinem (dem vierten) Evangelium heraus und baute Jesus zum Fleisch gewordenen Gott auf: Das Wort ist Fleisch geworden. Ignatius, Tertullian und Origenes lieferten beachtliche Beiträge zur Diskussion, betonten jedoch, Jesus sei, wenn Gott, dann auf einer Stufe unter diesem. (Rechts: Paulus-Statue vor der Basilika San Paolo fuori le mura, Rom.)

Dann kam das dritte Jahrhundert. Religiöse Wirren in Ägypten, Konstantin besiegt seinen Kontrahenten und wollte eine theologische Lösung. Er berief das Konzil zu Nizäa ein. Das war im Jahr 325. 1800 Bischöfe wurden angeschrieben, 220 kamen. Der Text, über den diskutiert wurde, blieb vage. Wichtigstes Wort war homoousios: gleichrangig. Jesus galt als Gott, hatte wie dieser keinen Anfang und war die fleischgewordene Weisheit (Logos), Gottes Gestalt auf der Welt. 218 Bischöfe stimmten zu, was ihnen keine Probleme bereitete, weil der Text missverständlich war.

DSCN5230

 

Was vor 325 nicht gedacht wurde, musste nach 325 gedacht werden. In den Jahren 381 und 451 verschärften die Kirchenväter den Druck. Christi Göttlichkeit und Menschlichkeit wurzeln in einer einzigen göttlichen Person,
lautete das Dogma. Wer dem nicht zustimmte, galt als Ketzer. Geza Vermes schreibt:

Der scheinbar erfolglose prophetische Messias wurde in einen triumphalen himmlischen Gottessohn verwandelt, dessen ruhmreicher Tag in der Erwartung des Paulus in allernächster Zukunft anbrechen würde.

Die jüdische Herkunft Jesu und sein charismatisches Wirken sei verdrängt worden durch die hellenistische Strömung, die sich des Christentums bemächtigte. In der derzeitigen Krise des Katholizismus, meinte Vermes, sei eine neue Erweckung erforderlich,

eine neue ›Reformation‹, die sich voller Inbrunst der reinen religiösen Vision und dem Enthusiasmus Jesu zuwendet, des jüdischen charismatischen Boten Gottes, und nicht der vergöttlichenden Botschaft, die Paulus, Johannes und die Kirche mit ihm verknüpft haben. (S. 333)

Damit verknüpfte Artikel:
Das Evangelium des Thomas
Im Anfang erat verbum.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.