Weltharmonie
»Wir klangen wie zwei Geigen, die ein Meister aufeinander abgestimmt hat«, ließ die Fussenegger jemanden sagen (ich glaube, es war Julia), wie wir gestern lasen, und danach las ich etwas, das dieses Motiv schön anspielt und ausführt. Der bulgarische Philosoph Omraam Mikhael Aïvanhov (1900-1986) sprach darüber bei einem (französisch gehaltenen) Vortrag in Bonfin am 16. September 1973.
Jeder Mensch lässt sich mit einem Musikinstrument vergleichen: einer Klarinette, einem Cello, einer Trompete oder einer Geige, einem Klavier, einer Gitarre. … Das einen jeden durchflutende Leben, der lebendige Hauch des Göttlichen weht über diese Instrumente und lässt deren Saiten erklingen. Jede Kreatur erzeugt einen bestimmten Ton, denn die kosmische Weisheit hat sie gestimmt, damit aus ihrem Zusammenklingen eine Symphonie entstehe. Lediglich auf Erden kann sie nicht erklingen, weil die Menschen ihrer Triebhaftigkeit und Leidenschaften wegen nicht fähig sind, in der ihnen von Gott gegebenen Tonart zu schwingen, im Einklang mit der Weltharmonie. …
Wir müssen zurückkehren zu dem, was Gott zu Beginn geschaffen hat. Er schuf die Menschen, damit sie wie in einem Orchester in Harmonie zusammenklingen oder wie in einem Chor zusammen singen. Niemand weiß richtig, was ein Orchester, ein Chor bedeutet. Unser Körper, ist er bei voller Gesundheit, gleicht einem Chor, worin alle Zellen und Organe singen und gemeinsam ein Wohlgefühl, Freude und Gesundheit erzeugen. Sowie die Zellen nicht mehr im Einklang sind, fühlt sich der Mensch unwohl, leidend, verstört, aus dem Gleichgewicht geraten, unglücklich, und je nach den Missklängen der Organe nimmt die Erkrankung die eine oder andere Form an.
Wer hat je darüber nachgedacht, warum ein Musiker innerhalb eines Orchesters nicht spielen darf wie es ihm einfällt, sondern den Noten, dem Takt folgen muss, da er sonst ausgeschlossen wird? Glaubt mir, die Menschheit ist kein gutes Orchester, sie spielt lauter Misstöne. Jeder singt drauflos, dass es nur so dröhnt, es ist ohrenbetäubend … ein jeder misst sich das Recht zu, loszuposaunen wie es ihm gefällt. In den Einweihungsschulen allein wird gelehrt, dass sich die Menschen aufeinander abstimmen sollen. …
Ich habe euch schon mehrmals die Formel der Eingeweihten genannt: »Wissen, Wollen, Wagen, Schweigen.« Weiß man, was zu tun ist, will man es und wagt man die Arbeit zu beginnen, braucht man nicht erst darüber zu sprechen. Alles äußert sich und drückt sich durch das ganze Wesen des Menschen aus. Walten Friede und Freude in euch, wozu es den anderen sagen? Man sieht es euch an!
Aus: O. M. Aïvanhov, Der Schlüssel zur Lösung der Lebensprobleme, Prosveta-Verlag, Rottweil, 2005; S. 319/320
Illustrationen: oben die norwegische Jazzband In the Country, fotografiert im Dezember 2014 in Landsberg/Lech; unten das Chicago Orchestra, aufgenommen am 5. Februar 1907 in Chicago von R. Geo und Co. Lawrence (courtesy of Library of Congress, Wash. D.C.)