Wie war es? (2) Die Reise des Bran

Jenseitsreisen, das ist ein neues Thema für eine Serie. Die Reise des Bran ist ein irischer Text aus dem 7. Jahrhundert (hier englisch/gälisch). Der Held verbringt einige Zeit im Land der Frauen, und dann fahren er und seine Genossen wieder heim. Als sie zurückkehren, erfahren sie, dass ihre Reise vielleicht viele Jahrhunderte her ist; Bran erzählt kurz davon und verschwindet wieder. So die Kurzfassung.

Das Königshaus war voller Würdenträger und gekrönter Häupter, und plötzlich stand in der Halle eine Frau, die niemand eingelassen hatte. Wie kam das? Bran, der Sohn des Febal, hatte in der Nähe seines Hauses wunderschöne Musik vernommen, war eingeschlafen, und dann sah er einen silbernen Zweig mit weißen Blüten, den er schließlich mitnahm ins Königshaus. Alle sahen also die Frau, die dann 50 Quatrains (Vierzeiler) sang. In den 7 weltweit existierenden Manuskripten sind nur 28 Vierzeiler davon überliefert. Die Sängerin schildert die berückende Schönheit einer fernen Insel, die an das Paradies erinnert. Der letzte Vierzeiler lautet so (im Gälischen mit Reim):

DSCN2775Leg dich nicht auf die faule Haut,
und sei vom Trunk nicht erbaut.
Übers klare Meer beginn deine Reise,
kommst zum Land der Frauen auf diese Weise.

Der Zweig sprang in die Hände der Frau, die wegging. Bran begab sich am nächsten Morgen auf seine Reise, mit drei Mal neun Kameraden. Nach zwei Tagen und Nächten auf See kam ein Mann mit einem Pferdewagen dahergerauscht, stellte sich als Manannan Sohn des Ler vor und sang für Bran 30 Vierzeiler. In seinem Land glitzern die Seepferdchen, und die Flüsse sind voll Honig, und dann sprach Manannan von sich und seinem Los dort, um mit dem folgenden Vierzeiler zu enden:

DSCN0284Lasst nun stetig rudern Bran,
bald kommt er im Land der Frauen an.
Emne nimmt dich freundlich auf,
dort bist du, bevor endet der Sonne Lauf.

Bran kam mit seinen Männern bald zum Land der Frauen, dessen Präsidentin ihm zurief: »Sei gegrüßt, Bran Sohn des Febal! Deine Ankunft ist willkommen!« Mit einem Zauberfaden zieht sie das Schiff an Land. In einem großen Haus fanden sie Betten vor, drei Mal neun. An Essen war kein Mangel, jeder bekam, was ihm schmeckte. Sie meinten am Ende, dass sie ein Jahr dort gewesen wären— doch es waren viele Jahre mehr.

Nechtan Sohn des Collbran hatte Heimweh und überredete Bran, wieder abzureisen. Die Chefin warnte, sie würden es bereuen. Sie sollten keinesfalls an Land gehen. Endlich erreichen sie den Heimathafen. Auf die Frage, wer er sei, antwortet der Kapitän: »Ich bin Bran Sohn des Febal.« Die Antwort: »So einen kennen wir nicht. Die Reise des Bran ist eine uralte Geschichte.«

Nechtan sprang an Land und zerfiel augenblicklich zu Staub, als wäre er hunderte Jahre tot gewesen. Daraufhin sprach Bran (und so sieht das Original aus):

DSCN5174Do macc Chollbrain ba mór báiss
turcbáil a láme fri áiss,
cen nech dobir toind usci glain
for Nechtán for mac Collbrain.     

Etwa:
Collbrans Sohn ließ sich trügen,
das Alter kann man nicht belügen,
und keiner half ihm, gab ihn Lohn,
dem Nechtar, Collbrans Sohn.

Daraufhin erzählte Bran vom Schiff aus den Leuten an Land von seiner Reise. Er entbot ihnen seinen Gruß und machte sich mit seinen Leuten auf den Weg, und von dieser Stunde an ist nicht mehr bekannt, wohin er fuhr.

 

Weitere Beiträge zu Jenseitsreisen:
Der Mann, der im Totenreich war
Jenseitsreise zu Frau Holle
Wie war es?


♣ ♣ ♣

Nachsatz: Den Beitrag schrieb ich am 10. Januar, und es blieb nicht aus, dass ich zwischendurch an einen alten Freiburger Bekannten dachte, Helgo Bran. Der heißt ja wie der irische Held! Aber von Helgo, dem Pilzkundler, hatte ich sicher acht Jahre nichts mehr gehört. Ihr könnt euch den Rest denken … Vergangenen Sonntagabend, also 30 Stunden vor der Veröffentlichung der »Reise des Bran«, ruft mich Helgo Bran an! Er hatte einen Grund, hatte einen meiner Artikel irgendwo untergebracht, aber dass Bran kurz vor dem Bran-Artikel anruft, war der Hammer. Nach sieben oder acht Jahren! Da liefen zwei Prozesse nebenher und trafen sich in dem Namen, und Namen sind magisch, Worte auch und der Reim etwas Heiliges … Mehr dazu übermorgen in dem Beitrag »Parallellinien«. 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.