Rückkehr ins Leben (3): Crow Dog
Das hätte ich auch nicht gedacht, dass das abseitige Thema Der Hinrichtung entronnen (angeregt durch Johann Peter Hebel) zu einer Mini-Serie werden würde! Heute geht es um den Indianer Crow Dog, der 1881 zum Tod verurteilt wurde, weil er Häuptling Spotted Tail erschossen hatte. Auf seinen Tod bereitete er sich lange vor …
Crow Dog, ein Sioux-Indianer, war als Kangi-Shunka 1834 geboren worden. Er war mit Sitting Bull und mit Crazy Horse befreundet. Jedoch war er den Weißen feindlich gesinnt, während Spotted Tail mit ihnen zusammenzuarbeiten suchte. Bei Dee Brown, in seinem Standardwerk Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses (1970), steht:
Im Spätsommer 1881 wurde Sitting Bulls Rückkehr von der Ermordung Spotted Tails überschattet. Der Täter war kein Weißer, sondern Crow Dog, einer von Spotted Tails Leuten. Er erschoss den berühmten Bruléhäuptling, als er auf einem Weg durch das Rosebud-Reservat ritt.
Links der Ausschnitt aus einem Gemälde von Henry Ulke, der Spotted Tail 1877 porträtierte (aus dem Buch von Dee Brown). — Mary Crow Dog, die Frau von Leonard Crow Dog (ein Nachkomme des alten Sioux), erzählt die Geschichte in ihrem Buch Lakota Woman 1990 so:
Am 5. August 1881, als Crow Dog, seine Frau neben sich, mit dem Pferdewagen Holz fuhr, sah er Spotted Tail aus dem Versammlungshaus kommen und sein Pferd besteigen. Er übergab die Zügel seiner Frau, nahm das Gewehr, das neben ihm im Futteral steckte, stieg vom Sitz und trat dem Häuptling gegenüber. Spotted Tail erblickte ihn und sagte: »Das ist der Tag, an dem wir die Sache zwischen uns wie Männern regeln werden.« Er griff nach seinem Revolver. Crow Dog kniete sich hin, kam ihm zuvor und schoss. Er traf den Häuptling in die Brust. Spotted Tail fiel vom Pferd und starb …
Es kam zu einer Verhandlung. Weiter Mary Crow Dog:
Ein Richter in Deadwood verurteilte Crow Dog zum Tod durch Erhängen. Crow Dog bat darum, nach Hause gehen zu dürfen, um sich vorzubereiten. Der Richter fragte: »Und woher sollen wir wissen, dass du wiederkommst?« Da antwortete Crow Dog: »Weil ich es sage.« Der Richter ließ ihn gehen. Einen Monat lang bereitete sich Crow Dog auf seinen Tod vor. Er dachte sich ein Totenlied aus und verschenkte alle seine Sachen. Das wenige, was er besaß ― seine Pferde, den Wagen, die Hühner ― gab er den Armen. Seine Frau richtete ihm weiße Wildlederkleidung her, ganz schlicht, ohne Perlen und Stickerei. Darin wollte er gehängt werden. Als alles getan war, spannte er sein letztes Pferd vor einen alten Einspänner und fuhr mit seiner Frau die hundertfünfzig Meilen nach Deadwood zu seiner eigenen Hinrichtung.
Als er in Deadwood ankam, erwartete ihn schon sein Verteidiger und grinste ihn breit an: »Crow Dog, du bist ein freier Mann. Ich bin mit deinem Fall vor das Oberste Gericht gegangen, und das Gericht hat entschieden, dass die US-Regierung im Reservat keine Gerichtsbarkeit besitzt und dass es kein Gesetz gibt, nach dem ein Indianer bestraft werden kann, weil er einen anderen Indianer getötet hat.« Crow Dog sagte: »Sie sind ein verdammt guter Mann. Da bin ich also hundertfünfzig Meilen für nichts und wieder nichts gefahren.« Und dann machte er sich mit seiner Frau auf den Heimweg.
Einen Monat lang den eigenen Tod vor Augen zu haben, ist bereits eine harte Prüfung. Danach kann man nicht mehr derselbe sein. Deadwood schien schon alles zu sagen. Die Schuld holte ihn dennoch ein. Wieder Mary Crow Dog:
Black Crow meinte zu Crow Dog: »Cousin, die Blutschuld wird vier Generationen lang auf euch lasten. Von jetzt an wirst du nicht mehr mit anderen Männern zusammen die Pfeife rauchen. Du wirst eine eigene kleine Pfeife rauchen, und zwar allein. Du wirst auch nicht mehr aus einer gemeinsamen Schüssel essen, sondern allein aus einem eigenen Napf. … Du wirst vom Stamm getrennt leben, Cousin, dein Leben wird einsam sein.«
Kangi-Shunka bezahlte auch Blutgeld, er gab der Familie von Spotted Tail viele Pferde und Dollars. Doch mit den Geistern zu verhandeln, die verärgert schienen, war seine Sache. 1911 starb Crow Dog, der immer eine Mütze der Weißen trug und daran geheftet eine Adlerfeder als Zeichen dafür, dass er immer Indianer bleiben würde.
Bisherige Beiträge zum Thema (2):
Wer will ihn?
Von der Schippe