Die Geister-Armeen

Manche geisterhaften Phänomene werden aus unterschiedlichen Kulturkreisen berichtet. Das ist, meine ich, ein Hinweis darauf, dass es sich um ein echtes Geschehen handelt. Bei Max Freedom-Long fand ich eine Stelle über unsichtbare Armeen, also Geister-Armeen auf Hawaii, denen man sich nicht nähern sollte. Von ihnen wird im Alpenraum und in Irland ebenfalls berichtet.

Bevor wir die Stelle Freedom-Longs aus Hawaii zitieren, erwähnen wir Prozessionen von Toten im Alpenraum. Da gibt es eine Menge Material, und in der unteren Hälfte des manipogo-Beitrags Spuk und Geister im Wallis können wir zwei Erlebnisse finden. Der Lehner Karl gab Sagen aus Zermatt wieder:

2021-09-09-0002Der Taugwalder Gabriel ging einst mit ein paar Mann nach Fluhalp. Es war zwischen Tag und Nacht. Da hörten sie’s vom Gletscher her kommen und hinunter gegen Eggenalp … Sie stellten sich neben den Weg und ließen den Gratzug vorbei. Sie hörten es trommeln, pfeifen und auch den Rosenkranz beten. Gesehen hat keiner was, aber die Drei hatten vom Hören genug. Die Totenprozession hörte man in Findeln und in Zmutt.

Der alte Schuler konnte einmal im außern Mutt nicht schlafen. Plötzlich hört er vor dem Hause etwas, und was sieht er? Eine lange Reihe in weißen Kleidern kam vorbei und ging gegen den Zmuttgletscher, teils beteten, teils redeten sie miteinander. Er erkannte niemanden, doch jetzt den da, war das nicht sein Großvater, der zu ihm heraufschaut? Er starb im Alter von 96 Jahren. Als er am Haus, das früher ihm gehörte und in welchem er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte, vorbeikam, sagte er zu seinem Nebenmann: »Hier war ich auch einmal übernacht.«

Die Findler wussten, welchen Weg die Prozession nahm, und im Herbst wurde dieser jeden Abend von Holz und Gerät freigemacht, damit das toten Volk gut hindurch käme.

In meinem Exzerpt von The Fairy Faith in Celtic Countries von Evans-Wentz aus dem Jahr 1911 habe ich leider nur einen Satz zu dem Thema notiert. Der Autor hatte damals mit Ureinwohnern Irlands gesprochen, die sich sehr wohl noch an die Feen aus dem Volk der Tuatha de Danann erinnerten. Pat Ruddy erzählte.

Ich ging von Bantrillick los, um heimzukommen, und in der Nähe des Ben Bulbin war die größte Armee, die man sich vorstellen konnte, fünf- oder sechstausend von ihnen, und ihre Rüstungen schimmerten im Mondlicht. Die Armee der kleinen Leute, die Gentry-Armee!

Max Freedom-Long schrieb 1948 in seinem Buch Geheimnisse hinter Wundern:

2021-09-09-0001In Hawaii, wo die Kahunas sich als mächtigste Könner auf dem Gebiet der psychischen Phänomene erwiesen haben, sprach man viele Jahre von Massen-Materialisationen. Gewöhnlich materialisierte sich zur Nachtzeit ein eingeborener Häuptling mit zehn bis fünfzig seiner Gefolgsleute (die alle längst tot waren) und marschierte mit ihnen durch das Land. Oft wurden auch Trommeln und Fackeln materialisiert. Manchmal blieben sie auch unsichtbar, während das Geräusch der marschierenden Füße und der Klang der Trommeln und Stimmen deutlich zu hören waren. Solche Geisterprozessionen sind in Hawaii gut bekannt. Sie wurden des öfteren durch Zeugenaussagen belegt …

Dr. John Tanner, der die Kahunas in Hawaii lange studierte, erzählte mir, er habe einmal zur Nachtzeit in Waikiki Beach gehört, wie sich die Geisterprozession gegen das Zentrum von Honolulu zu bewegte. Er vermutete, dass sie, wie gewöhnlich, die Straße von Waikiki zu den königlichen Gräbern in der Nähe der alten Missionskirche im Zentrum der Stadt einschlagen würde. Er fuhr daher in seinem Wagen zur alten Kirche und wartete dort. In überraschend kurzer Zeit war dort das gleiche Geräusch marschierender Füße hörbar sowie leise Gesänge und Gespräche.

Die Leute schienen dann in der Gruft eines längst verstorbenen eingeborenen Königs zu verschwinden. Gesehen hat Dr. Tanner nichts.

Dr. Brigham besaß viele Berichte von Augenzeugen, die die Marschierenden bei Fackel- und Mondlicht sahen. Die Hawaiier sind überzeugt, dass die voll verkörperten, mit Kriesgkeulen und Speeren bewaffneten Marschierenden jedem gefährlich werden, der ihren Marsch stört. Wenn sich eine solche Kolonne nähert, gehen kluge Eingeborene ihr aus dem Wege, verstecken sich oder verhalten sich ganz still, bis sie vorbei sind. Es sind Fälle vorgekommen, in denen Personen durch die Teilnehmer solcher Prozessionen getötet wurden. (…)

Sicher sind die allgemein anerkannten Fakten über solche Geisterprozessionen in Hawaii mit viel Dichtung durchsetzt. Doch zweifle ich nicht an der Richtigkeit der grundlegenden Tatsachen. Die legendäre Überlieferung der Polynesier ist voll von Erzählungen über Einzel- und Massen-Materialisationen. Die »Götter« verhelfen den Geistern der Toten zur Materialisation, und es wird berichtet, dass die Vitalkraft und die Substanz, die für das Ektoplasma notwendig ist, von schlafenden Menschen oder — in seltenen Fällen — aus tierischem und pflanzlichem Leben entnommen wird.

(deutsch 1985, Bauer-Verlag Freiburg, S. 219/220)

 

 

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