Salesi Bloch

Die Geschichte vom Salesi Bloch, die der Sulzburger Heimatdichter Hubert Baum erzählte, war umwerfend, aber erst später reagierte ich darauf: als mir nämlich ein ähnliches Vorkommnis einfiel, das ich behandelt hatte: Andreas Hertzegs Verschwinden und Wiederauftauchen. Das fällt in die Rubrik wundersame Errettung, und davon sollten wir mehr haben.

Hertzeg soll 16 Wochen besinnungslos in einer Höhle verbracht haben und dann heimwärts marschiert sein. Das ist ziemlich unglaubhaft, aber natürlich nicht unmöglich. Johann Peter Hebel (1770-1826) zeichnete die Geschichte 1811 auf, und 1802 soll sie sich zugetragen haben. Die vom Salesi Bloch ist ziemlich wahrscheinlich — und weniger spektakulär. Drei Wochen war der Mann vermisst. Auch er lag in einer Höhle.

Aufgeschrieben hat die Episode Hubert Baum (1906-1976), der in Freiburg geboren wurde und in Sulzburg aufgewachsen war, in diesem Städtchen im Markgräflerland am Rande der Schwarzwaldhänge (und der bewohnten Welt). Baum war, was man einen Heimatdichter nennt. Tätig war er in Freiburg als Prokurist, aber verstanden hat er sich als Dichter. Meist schrieb er auf Alemannisch.

DSCN2688Salesi Bloch war ein jüdischer Viehhändler (der Name Bloch … früher war ein Drittel der Sulzburger Bürger Juden). 1783 kam er vom Markt im Münstertal heim, wo er eine Kuh gut verkauft hatte, und etwas zu essen (Eier, Käse, Brot) hatte er auch mit. Im Wald, beim Vihstelligrund, brach er unvermutet in ein Loch ein und fiel drei Meter tief, ohne sich zu verletzen. Der Dichter dachte sich in den Salesi hinein und schildert uns dessen Gedanken. Was wir nur wissen, ist: Der Salesi fing an zu arbeiten und schleppte Steine, um sich eine Art Treppe zu bauen. So stieg er immer höher, dem Flecken Licht entgegen, und je höher er war, desto besser würde man draußen seine Hilfeschreie hören können.Doch es war ein Leben in Dunkelheit mit der geringen Hoffnung, jemals wieder das Licht zu erblicken.

DSCN0660Denn wer ging schon durch das einsame Waldstück am Berg und zufällig gerade dann, als Salesi um Hilfe schrie?  Irgendwo tropfte es, und er konnte sich Wasser zuführen. Ohne Flüssigkeit lebt man nicht lange. In neunzehn Tagen türmte er viele Steine aufeinander. Vielleicht hätte er es geschafft, aus eigener Kraft hinauszukommen; vielleicht aber auch nicht. Er verspeiste die letzten Brocken, es war der zwanzigste Tag, der rief sein »Hüülfe« — und eine Beerensammlerin hörte ihn und holte die Retter.

Hubert Baum hat vor 100 Jahren einmal mit dem Geuße-Walter den Wald durchstreift, und sie meinten, die Stelle gefunden zu haben, wo Salesi verunglückte. Das Land ist durchzogen von Bergwerksstollen, und einer lief unter dem Pfad weg. Sie fanden auch die aufeinandergeschichteten Steine, die eineinhalb Meter unterhalb des Lochs endeten. Die beiden Jugendlichen kletterten auf den Steinen hoch, um sich zu befreien. Hubert Baum schrieb:

Als ich auf der obersten Stufe stand — ich war froh über das Licht da oben, denn in dem Stollen war’s doch gar grausig gewesen —, blitzte es über einmal am Boden: ein altes Kreuzerstück. War es dem Salesi aus dem Hosensack gefallen?

Da wiederum denken wir an die Erzählung Unter dem Garten von Graham Greene, die manipogo erst im April veröffentlichte. Auch da gab es ein Fundstück, das etwas beglaubigt, was für ein Hirngespinst gehalten worden war. So hängt vieles mit vielem zusammen, und vielleicht haben wir, ohne es geahnt zu haben, als Gegenstück zur Serie Flugverkehr eine mit Beiträgen zum Leben unter der Erde: die Unterwelt. Wer aufs Licht hofft, tut das aus dem Schatten heraus.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.