Fragen an die Toten (2)
Dr. Alex Woods hieß die Gerichtsmedizinerin bei CSI Miami, die immer mit den Mordopfern sprach, die vor ihnen lagen: zärtlich und begütigend. Bei der Engländerin Magdalen Nabb, deren Held Maresciallo Guarnaccia uns vor einem Monat über den Weg lief, tut Professor Forli, der zuständige Pathologe in Florenz, dasselbe. Ist doch interessant!
Khandi Alexander, so alt wie ich, war von 2002 bis 2008 Dr. Alex Woods. In diese Jahre fiel auch (2007) das Buch Eine Japanerin in Florenz, in der der Maresciallo über »seinen« Pathologen spricht.
Er (der Maresciallo) wollte feststellen, was Forli wusste, aber nicht schriftlich fixierte. Manche Menschen hatten ein besonderes Gespür für ihre Mitmenschen, Forli hatte dieses besondere Gespür für die Toten. Er sprach mit ihnen während der Autopsie. Sie lügen nicht, sagte er.
Vor zwei Jahren hatte manipogo einen Artikel über die clever-men Australiens, die Ärzte und Magier sind (oder waren; das Buch, auf das ich mich bezog, erschien 1956). Sie erhielten manchmal Antwort auf ihre Frage, wer den Toten getötet hatte, und manchmal führte die Leiche die sie transportierenden Männer zur Tür, hinter der sich der Täter befand. Vermutlich war die Seele noch in der Nähe.
Professor Forli hält Vorlesungen, lässt dabei ein Band laufen mit seiner Stimme, greift manchmal ein oder führt weiter aus, als wolle er sich selber als Abwesendem lauschen; als reagiere er aus einer anderen Dimension auf seine eigenen Worte aus der Vergangenheit. Man kann sich gut vorstellen, dass Pathologen besondere Vorlieben pflegen, dass sie anders sind als normale Ärzte. Jeden Tag dieser Umgang mit Toten, die man aufschneiden und »sezieren« muss … Solch einen Beruf ergreift man nicht ohne tieferes Interesse, da steckt etwas dahinter.
Als ich in München studierte, erzählte mir jemand, man könne die Vorlesungen der Rechtsmedizin in der Frauenlobstraße besuchen, und ich ging hin. Am schlimmsten war der Geruch nach Formaldehyd. Den musste man aushalten können. Dann wurde die Leiche hereingerollt, das Tuch zurückgeschlagen, der Dozent erläuterte etwas und fing an, und auch das Knirschen der elektrischen Säge, wenn sie den Schädel durchschnitt, war ziemlich furchtbar. Der Dozent war meist witzig und ironisch.
Der Krimi, dem wir im Fernsehen nicht mehr entkommen könne, ist ja auch eine Auseinandersetzung mit dem Tod. Der Kommissar vertritt dabei die Zuschauer, wenn er beklommen in die Unterwelt der Gerichtsmedizin hinabsteigt, um sich Informationen zu holen. Das Verhältnis zwischen Kommissar/in und Gerichtsmediziner/in ist immer ein besonderes. Sie kennen sich seit Jahren und schäkern miteinander, und es ist immer der Pathologe, der sich etwas eigenartig und gleichzeitig völlig souverän benimmt. Der Kommissar vertritt die Ebene der Lebenden; der Pathologe hält Distanz zu ihm, wenn er ihn antrifft, denn da betritt ein Fremder das Reich der Toten, und es lässt an die Geschichten der Besuche in der Unterwelt in allen möglichen Mythen denken.
Kommissar Montalbano bedrängt (in den Büchern von Andrea Camilleri und in den Filmen) Dottor Pasquano, »seinen« Gerichtsmediziner, überall, sogar beim Friseur. Pasquano ist oft schlecht gelaunt und schickt den Kommissar mit einem Fluch fort. Das ging 20 Jahre und 28 Filme, bis der sizilianischer Darsteller des Arztes, Marcello Perracchio, 2017 mit fast 80 Jahren starb. Eine kuriose Arbeitsbeziehung im Film war zu Ende.
Ich kann das Thema nur anreißen, sicher gibt es viele Krimis mit vielfältigen Beziehungen des Kommissars oder der Kommissarin zum Arzt oder Ärztin in der Unterwelt, und ihr werdet mehr darüber wissen.
Illustrationen: Khandi Alexander; Autopsieraum in Sparta, Monroe County, Wisconsin; ein Arzt seziert die Leiche eines jungen Mädchens (beies courtesy of Library of Congress, Wash. D. C.); Marcello Perracchio.