Balugino

Vor genau zwei Jahren hatte ich in dem Beitrag Am Meer ein Gedicht von Giuseppe Ungaretti gebracht, dem wir uns hier näher widmen wollen. Mich überfiel plötzlich der verwegene Einfall, ein Bild dazu (und davon) malen zu wollen und dachte mir: Die Vorüberlegungen könnten zeigen, wie Kunst entsteht, wenn sie geplant wird (und nicht spontan entsteht).

Nochmal den Text … wobei die untere Hälfte damals von mir etwas hölzern übersetzt wurde (das ist nun besser):

Die Liebe ist nicht mehr jener Sturm
Der in der Nacht blendet
Und mich gleichwohl umschlang noch vor kurzem
Mit Schlaflosigkeit und Raserei,

Aufblitzen eines Leuchtturms
Auf den ruhig zugeht
Der alte Kapitän.

Das ist aus dem Gedichtband Tagebuch des Alten (taccuino del vecchio). Schon vor langer Zeit, als ich noch nicht zu den Alten gehörte, faszinierten mich diese Zeilen, und vielleicht leitete mich damals schon der Wunsch, Abstand zu allem zu bekommen. Aber auch ohne das bleibt das Bild, das bei der Lektüre der letzten drei Zeilen entsteht, ein irgendwie feierliches. Im Original:

Balugino da un faro
verso qui va tranquillo
il vecchio capitano.

Es ist Nacht, rhythmisch blinkt es oben vom Leuchtturm, der ja sein Licht im Halbkreis herumwirft, und da ist der Kapitän. Er hat es nicht eilig. Was will er dort am Turm? Weil vorher die Liebe erwähnt wurde, die den Kapitän nicht mehr umherwirft wie der Sturm ein Schifflein, können wir uns denken, dass er vielleicht zu einem Rendezvous geht, zu einem date. Er freut sich natürlich, sein Herz macht ein paar Schläge mehr die Minute, aber das ist es auch schon. Der Kapitän hat vieles erlebt und weiß, dass er sich nicht verstellen muss und kann. Er wird ehrlich sein und auch von seinen Schwächen sprechen, er wird sie etwas bewundern und seine Freude darüber durchblicken lassen, dass sie ihn sehen wollte. Den Rest lässt er einfach geschehen.

Komisch, erst während ich schrieb, fiel mir ein, dass der Kapitän ein date haben könnte. (Man darf also nicht nur spielen, sondern muss sich ernsthaft mit einem Thema befassen, um zu Ergebnissen zu kommen.) Vorher überlegte ich nur, wie ich das malen wollte. Sollte der Leuchtturm groß sein und der Kapitän klein oder umgekehrt? Hier haben wir estmal links den Kapitän und rechts den Leuchtturm.

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Na ja, das Bild links (von der Ostsee, 2007) zieht das Thema etwas ins Lächerliche. Der Leuchtturm ist der vom Lindauer Hafen. Und als ich so nachdachte, fand ich auch nur eine Möglichkeit, das Bild darzustellen, wie ihr unten seht. Dass der Kapitän »ruhig« drauf zugeht, kann man nicht vermitteln, da es ja dunkel ist. Man versteht aber, dass er dorthin will. Das ist natürlich recht grob hingemalt, doch man versteht, wie ich es mir vorstelle. Eine echte Malerin würde vielleicht was Gutes draus machen.

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