Italien in der Rechtskurve

Unser Nationalfeiertag: Vor 33 Jahren wurde Deutschland wieder ein Ganzes. In Italien geschah das 1870. Giuseppe Garibaldi mit seinen Rebellen brachte das zustande. Sie entmachteten auch den Papst mit seinen Steuereintreibern und drängte sie in den Vatikanstaat zurück. Italien wurde ein Zentralstaat aus vielen verschiedenen Regionen mit ihren Dialekten. Dieser Staat bekommt nur eine rechte Regierung. 

Vor einem Jahr hatte manipogo geschrieben: Kalabrien ging an Rechts. Da waren die drei Gruppierungen schon genannt: die Lega, Berlusconis Forza Italia und Melonis Fratelli d’Italia. Sie haben nun auf Landesebene triumphiert. Blicken wir kurz zurück:

Nach dem Zweiten Weltkrieg regierte lange Zeit die Democrazia Christiana (DC), die sich als christlich verstand und stramm konservativ war, also rechts — etwa wie die CSU in Bayern zu ihrer besten Zeit. Jedoch gab es auf der anderen Seite einen großen Anteil eingeschworener Kommunisten. Deren Partei, die PCI, holte noch Anfang der 1970-er Jahre 30 Prozent der Stimmen. Dieses Jahrzehnt war (noch mehr als in Deutschland) von terroristischen Anschlägen geprägt, die bleiernen Jahre nannte man das. Die Bombe auf dem Hauptbahnhof Bologna 1980 forderte 80 Menschenleben.

Drei wichtige Politiker: Romano Prodi (zwei Mal Ministerpräsident), Sandro Pertini (Präsident) und Giulio Andreotti (oft Ministerpräsident von 1972 bis 1990)

Drei wichtige Politiker: Romano Prodi (zwei Mal Ministerpräsident), Sandro Pertini (Präsident) und Giulio Andreotti (oft Ministerpräsident von 1972 bis 1990)

Anfang der 1990-er Jahre wurden Korruptionsaffären bekannt, und die traditionellen Parteien zerbrachen; die Kommunisten litten unter dem Zusammenbruch des Ostblocks. 1994 gewann erstmals die Partei unter Medienunternehmer Silvio Berlusconi, und 2001 gewann sie nochmals, und Berlusconi konnte 5 Jahre regieren — eine Rekordzeit im traditionell instabilen Italien.

Warum traditionell instabil? Da muss man subjektiv werden und — werten. In Italien gilt der Staat von jeher nicht viel. Er wird eher als Feind des Bürgers betrachtet. Der Dienst am Staat ging bei den Politikern und übrigen Funktionären leider oft mit Selbstbedienung und Selbstbereicherung einher. Auch in den Parteien hielt man nicht viel von Disziplin. Die größte linke Partei schaffte es unter wechselnden Namen nie, ihre Führungsfigur zu unterstützen; hinter den Kulissen lieferte man sich intrigantenreiche Machtkämpfe, weil es immer nur um Macht für einzelne ging und selten um das Wohl des Staates. Munter sprangen andere Politiker zwischen den Parteien hin und her oder gründeten neue kleine Gruppen, was Koalitionen schwierig und eben instabil machte.

Ich erinnere mich noch, wie im Jahr 2000 (oder um die Zeit) vor meiner Tankstelle in Rom jeden Abend auf drei Stühlchen drei ältere Herren saßen, alle leidenschaftliche Radfahrer und Plaudertaschen. Mich konnten sie gut leiden, und als ich anfing, über Politik zu reden, sagte einer zu mir: »Politik in Italien, das politische System? Erklär es uns bitte!«

012Die Lage in diesem Jahrhundert war immer unübersichtlich und die einzige Konstante das stetige Wachstum der rechten Gruppierungen. Das war in den Nachbarländern ähnlich. Die Lega von Umberto Bossi wollte gleich Norditalien vom Süden abtrennen, um dessen ineffektives System (und, nicht ausgesprochen: die Faulenzer) nicht finanziell unterstützen zu müssen. Eine gute Sache waren die »technischen« Regierungen unter Führung eines über den Dingen stehenden Experten, aber auch sie hielten sich nicht lange.

Im Wahlkampf markieren die Rechten immer die Starken und die Kämpfer. Das trägt ihnen Stimmen ein. Aber regieren ist etwas Anderes. Wie schnell man in der Regierung zerrieben wird, haben wir am Movimento Cinque Stelle gesehen. Sie waren 2018 noch die Überraschungspartei, und nichts schien sie stoppen zu können. Doch die Bewegung zerlegte sich selbst durch die üblichen Scharmützel im Hintergrund. Matteo Salvini, der Chef der Lega, muss auch vorsichtig sein: Nicht einmal 10 Prozent erreichte seine Partei.

Sie streiten sich ja jetzt schon, und die Lega-Leute, als Rechte natürlich typische Machos, können sich keine Ministerpräsidentin vorstellen. Und stellen wir uns erst den Kampf um die wichtigsten Ministerposten vor! Doch sie müssen jetzt ran, arbeiten und schauen, dass sie die Milliarden abgreifen können, die die Europäische Union für sie bereithält. Dafür muss man gut ausgearbeitete und realisierbare Projekte vorlegen, da reichen markige Worte nicht. Geben wir der neuen Regierung etwas Zeit. Ende des Jahres, nach den üblichen 100 Tagen, kann man mehr dazu sagen.

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