Flugverkehr (148): Säulen am Himmel

Nachdem ich Flügel gesehen hatte, fiel mir eine überirdisch schöne Stelle in Wind, Sand und Sterne von Antoine de Saint-Éxupéry ein … und mir schwante, ich hätte sie bereits verwendet. Stimmt! Bei Himmelsmänner, dem 12. Beitrag für manipogo am 20. August 2012, an dessen Ende: verschenkt! Darum biete ich das Stück noch einmal an und ausführlicher.

Die deutsche Übersetzung von Henrik Becker (1939) ist auch besser als die meine von vor zehn Jahren:

So kam einst Mermoz auf seinem ersten Flug im Wasserflugzeug über den Südatlantik gegen Abendgrauen in die Gegend des »Schwarzen Topfes«. Da sah er, wie sich die langen Schwänze der Windhosen vor ihm immer enger zusammenschlossen, als ob eine Mauer gefügt würde. Und auf diese angenehme Vorbereitung legte sich die Nacht, so dass er nichts mehr sah. Als er eine Stunde später unter diese Wolke kam, geriet er in ein sinnenbetörendes Zauberreich. 

Da standen die Wasserhosen dicht beieinander und scheinbar unbeweglich wie die schwarzen Säulen eines Domes. Auf ihren ausladenden Kapitellen trugen sie das düstere, niedrig lastende Gewölbe des Sturmes. Aber Lichtfelder brachen durch die Lücken dieser dunklen Himmelsdecke, und zwischen den grausigen Pfeilern schien der Mond auf die kalten Fliesen des Meeres hinab.

NightonEarth

Vier Stunden lang flog Mermoz seinen Weg durch diese unbewohnten Ruinen. Er kreuzte von Lichtfleck zu Lichtfleck, er umflog die Riesensäulen, in denen das Meer seine tobende Himmelfahrt feierte, er folgte den hellen Streifen, in denen das Mondlicht in den Tempel einbrach, bis er das Tempeltor erreichte. Und so gewaltig war der Anblick, dass Mermoz, als er endlich den Schwarzen Topf hinter sich ließ, mit Staunen bemerkte, dass er gar nicht dazu gekommen sei, Angst zu haben.

 

Es war die Pionierzeit der Fliegerei. Mermoz stürzte denn auch ab, mit 35 Jahren. Diese Heldentaten gibt es nicht mehr, unsere Räume sind erschlossen, und der Pilot des Verkehrsflugzeugs muss sich wie eine Marionette fühlen, denn er wird elektronisch geführt und verfügt über die beste Technik. »Saint-Ex« hat das erhofft und vorhergesehen, ob nun in Nachtflug oder im Südkurier: Die Maschine, die Technik würden zurücktreten, der Mensch würde ruhig und würdig leben können, konzentriert auf seine Aufgabe.

Doch leider hat uns die Technik unserer Umwelt (und uns von uns selbst) entfremdet. Wir setzen uns ins Auto, schalten den Navi ein und fahren stur und vollklimatisiert dahin, und am Himmel stehen vielleicht Wolkensäulen vor dem finsteren Horizont, ohne dass wir es merken. Was sich reibungslos und mühelos abspielt, bleibt ohne Bedeutung. Je höher der Einsatz, desto größer der Gewinn. Wir wollen emotional beteiligt sein und unseren Körper spüren, dann ist etwas von Bedeutung geschehen, das meiner Geschichte etwas hinzufügt. — Ich trete ein wenig in die Pedale und fahre mit Elektromotor zügig einen Berg hinauf, so what?

Larissa Schepitko, die Regisseurin von Flügel, gab dem deutschen Fernsehen 1978, ein Jahr vor ihrem Tod, ein Interview. Darin verweist sie auf die Wichtigkeit von Spiritualität. Ohne diese gebe es keine Zukunft. Angesprochen auf ihre Filme, die sie unter extremen Bedingungen in Steppe (Зной, Hitze von 1962) und Eiswüste (Der Aufstieg) drehte, sagte die Schepitko: Inmitten unserer täglichen Routine sei es schwer, mehr über uns zu erfahren. Wollten wir tiefer gehen, wollten wir unser Selbst entdecken ohne den Schutzschild um uns herum, dann müssten eben extreme Bedingungen her.

Jean Mermoz sagte, wie am Ende zu seinem Beitrag zitiert, das Fliegen in Gefahr mache etwas mit ihm: »Ich verändere mich, ich werde ein Anderer. Es fällt mir wahnsinnig schwer, zu landen … Ich gebe alles, was ich geben kann, ich finde endlich, dass das Leben recht schön ist, und je mehr ich es riskiere, desto größeren Wert hat es. Ich bin ganz einfach glücklich.«

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