30 Männer, und dann: Meloni
30 Ministerpräsidenten hatte Italien seit dem Zweiten Weltkrieg (und 67 Regierungen). Und jetzt zum ersten Mal eine Frau: Giorgia Meloni. Der Komiker Crozza witzelte, er frage sich, ob sie im Palazzo Chigi — der Regierungssitz in Rom am Largo Chigi — überhaupt eine Frauentoilette hätten … Doch an Giorgia Meloni kam man nicht vorbei, und nun schrieb sie Geschichte.
Als die Ministerriege dastand, sah man alte Haudegen über 60, an denen wiederum Giorgia Maeloni nicht vorbeikam, denn diese Alten hatten ihre Verdienste, und Berlusconi und Salvini waren ihnen verpflichtet. Crozza witzelte wiederum: Als die Regierung so dastand, sei der einzige Fremdkörper eine Frau von 44 Jahren gewesen. Das kennen wir, freilich, von Mannschaftsfotos aus dem deutschen Umland. Da zeigt sich das Team einer Bank oder einer Immobilienfirma, und unter dunkel gekleideten Herren sticht immer eine dezent bunt gekleidete Frau hervor, die sogenannte Alibifrau. Nur ist sie meist nicht die Chefin wie Girogia Meloni.
Italiens Polit-Szene ist ein Déjà-vu, und im Fernsehen ist es genauso. Wenn man in Italien die Fernsehnachrichten um 20 Uhr einschaltet, sieht man jede Menge »Talking Heads«, und im Magazin Porta a Porta um 23 Uhr breiten dieselben Gestalten dann wiederum ihr Wissen und ihre Erfahrung aus. Seit Jahrzehnten. Und wenn einer durch Tod ausfällt, fällt das nicht weiter auf, denn ein paar andere Veteranen machen sich schon lautstark bemerkbar. Berlusconi kürte einige Ministerinnen, die durch Schönheit dem Parteichef aufgefallen waren, der sich gern mit hübschen Mädchen umgibt.
Natürlich gab es ein paar Kämpferinnen bei der Linken und unter den Kommunisten, nur fallen mir gerade keine Namen ein (ein Altersproblem: Man hat ein Gesicht vor Augen, doch der Name dazu will einem nicht einfallen). Doch, einer: Nilde Jotti. Sie lebte von 1920 bis 1999 und war von 1979 bis 1992 Präsidentin der Abgeordnetenkammer. So ein Amt gibt man in Italien einer Frau gern und belässt sie auch darin, denn diese Funktion ist eine rein verwalkungstechnische: die Abgeordneten zur Abstimmung oder zur Ordnung rufen, Anfang und Ende der Sitzung verkünden.
Eine Frau, die ich bewundere, ist Laura Boldrini, 1961 geboren. Sie scheint mir mutig, intelligent und von gewinnendem Charme zu sein. Sie stand dem Abgeordnetenhaus (die camera dei deputati) von 2013 bis 2018 vor. Laura Boldrini gehörte zu einer kleinen Gruppierung, von der man nie mehr etwas gehört hat, die aber im Namen links, Ökologie und Freiheit führte. Und heute, 4 Jahre nach der Boldrini? Nun beschenken die Rechten ämterhungrige und karrieregierige Männer, die bislang leer ausgegangen waren.
Ignazio La Russo wurde Präsident des Senats, und er schämt sich nicht seiner privaten Sammlung von Büsten und Heldenbildern Mussolinis. Lorenzo Fontana leitet formell das Abgeordnetenhaus. Er ist Katholik und appelliert andauernd, Kinder brauchten »einen Papa und eine Mamma«; davon abweichende Lösungen nannte Fontana schifezze (etwa: eklige Sachen). Gut, Fontana hat nichts zu sagen, und La Russo darf nach Dienst gern vor der Büste des »Duce« niederknien, aber international kommt so etwas nicht gut an. Auf der anderen Seite ist es nicht in Ordnung, Giorgia Meloni »rechtsradikal« zu nennen, wie ich kürzlich im Fernsehen hörte, und was soll schon »postfaschistisch« heißen?
Journalisten wollen Synonyme, um nicht dauernd den Namen wiederholen zu müssen, aber Identifikationen stimmen nicht, man sollte auf sie verzichten. Nichts ist etwas Anderes. Sagte Alfred Korzybski. (Der Name fiel mir ein. Halleluja!)