Alchemie und Seele (2)

Lösen und neu vereinen, das ist in schweren Krisen unabdingbar. Die Seele muss nicht zersplittert sein; man steckt in einem Dilemma, in einer verfahrenen Situation, aus der es keinen einfachen Ausweg gibt — und manchmal sackt man ab, lässt sich fallen, geht durch Leid und taucht wieder auf, hoffentlich, und hoffentlich erneuert und veredelt. 

DSCN5226Wir müssen uns ja alle mit Dualismen herumschlagen. Wir wollen unabhängig sein und doch irgendwo dazugehören, wir sind manchmal aggressiv und manchmal sanft, wir wollen unsere Bedürfnisse erfüllen, ohne andere zu überrollen … und meist gelingt es uns, uns irgendwie durchzuschlängeln. Wenn aber die Krise tiefer geht, verlieren wir manchmal die Kontolle und gehen unter.

Bisweilen hilft nur ein völliger Neuanfang. Der ist aber nur zu haben, indem man zunächst durch Chaos und ein Niemandsland wandert. Man hat sich besonnen und die Lage durchdacht, es hat alles keinen Sinn, man fühlt sich wie erstarrt und verzweifelt, und damit gehen wir durch einen Reinigungsprozess (wie durch das Fegefeuer), der uns dabei hilft, wieder aufzuwachen. Plötzlich sieht man alles neu; es gibt wieder Licht im Dunkel. Dem folgen wir.

Die Holzschnitte des Rosarium von 1550 (schon Carl Gustav Jung hat mit ihnen gearbeitet) zeigen eindeutig ein Paar, Mann und Frau oder »König und Königin«. In der Alchemie standen beide für Merkur (Geist) und Sulfur (Seele), doch könnte es durchaus ein Paar in der Krise sein — oder wir denken daran, dass Novak dafür plädierte, Geist und Seele müssten nach dem Tod zusammenbleiben; und die Doppelseelen alter Völker (wie Ka und Ba bei den Ägyptern) wollten irgendwie auch gemeinsam durchkommen. Bei Nathan Schwartz-Salant geht es eben um eine Patientin und ihren Therapeuten (sein Buch heißt übrigens Die Borderline-Persönlichkeit), die zusammen arbeiten.

Bild 4, Eintauchen ins Bade, illustriert erste erotische Energien, die auftauchen können zwischen beiden (in dem unbewussten feinstofflichen Feld zwischen ihnen). Dann kommt es zur ersten Vereinigung (Coniunctio), natürlich symbolisch: Die Patientin erfährt den Therapeuten, auf den sie viel projiziert, auch in seiner Abwesenheit.

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Das ist irgendwie zeitlos, doch als nächstes stellt sich der Tod ein, Bild 6. Ungelöste Probleme treten auf und der Gedanke, dass solch eine Vereinigung nie mehr möglich sein wird. Das ist Nigredo, die Schwärzung: ein depressiver Zustand.

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Der Aufstieg der Seele (Bild 7) bezieht sich auf einen nicht zu sehenden Weg der Seele währenddessen — in unbekannte Dimensionen, in denen Heilung möglich wird. Jung spricht vom »kollektiven Unbewussten«, aber vielleicht mögen wir auch an göttliche Kräfte denken.

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Bild 8 ist die Reinigung, die Schwartz-Salant nur vage beschreibt. Wie die Seele ihre Schlacken loswird, wissen wir nicht genau und werden wir auch nie genau wissen. Reinigung sonst ist natürlich Leiden und Reue und Selbsterkenntnis und der Wunsch, es besser zu machen.

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Und schließlich die neue Geburt (Bild 10), die anscheinend beide Partner erleben, und sie wirken dabei wie eine Person, ein Hermaphrodit. Er steht auf dem Halbmond wie oft die Madonna — weil er den Tod überwunden hat.

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Eine neue Geburt ist erst der Anfang. Viel Arbeit ist nötig bis zur Vollkommenheit (Bild 17), denn danach lauert noch die Beschämung (18): Rückschläge gehören dazu und müssen verarbeitet werden. Schließlich die Krönung (19) und die Wiederauferstehung (20), die deutlich christliche Züge trägt: der Heiland erhebt sich aus dem Grab. Ihm würde im Tarot die 21 entsprechen, die letzte Karte: die Welt. Das ist der Sieg!

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