Die Bersaglieri-Ciclisti

Schauen wir ein letztes Mal zurück nach Cremona, vor drei Wochen. Wir standen im beginnenden Nieselregen vorm Quartier, um in die Staft zu fahren, da kam von links ein Trupp feldmäßig gekleideter Soldaten auf Rädern an und wahrlich mit Pauken und Trompeten: Sie machten Musik. 

348434718_768927811339326_7062560226990523599_nDas waren die berühmten Bersaglieri-Ciclisti — der einzige Radfahrer-Trupp von 80 Bersaglieri-Einheiten im näheren Umkreis. Die Mitglieder sind Sympathisanten und nennen sich »Paramilitärs«. Sie üben einmal in der Woche und werden gern zu Veranstaltungen eingeladen. Unsere Gala-Ausfahrt führten sie an und intonierten bei mittlerweile stärkerem Regen »Va pensiero« aus Verdis Nabucco und die italienische Nationalhymne, und die Herzen öffneten sich. (Das Bild ist von der facebook-Seite des IVCA, Fotograf Davide Perrella.)

Man könnte die Bersaglieri Schützen/Infanteristen nennen. Wenn sie nicht auf Fahrrädern sitzen, laufen sie. Fabiano, ein guter Bekannter, war zur Grundausbildung bei den Bersaglieri und erinnerte sich: »Wir sind gerannt wie die Blöden.« Ja, sie laufen und marschieren nicht nur. Das hat einen historischen Grund. Als Garibaldi mit seinen Kämpfern bei der Einigung Italiens die Bresche der Porta Pia in Rom durchbrach, um den Kirchenstaat zu erledigen, soll eine solche Euphorie ausgebrochen sein, dass es die Bersaglieri nicht erwarten konnten, einzudringen. Seitdem haben sie den Auftrag, zu rennen.

Die Fahrrad-Bersaglieri müssen in einem Atemzug mit den Schweizer Radfahr-Kompanien genannt werden. Vorgänger der Bersaglieri waren ab 1786 die Jäger im Piemont. 50 Jahre später gelang es Alessandro La Marmora, beim König die Schützen als leichte Infanterie durchzusetzen. Kapitän Luigi Natali baute die erste Kompanie auf, die am 15. März 1898 erstmals operierte. 1910 bekam jede der 12 Bersaglieri-Regimenter ein Fahrrad-Bataillon (ein Bataillon umfasst 300 bis 1000 Soldaten), die 1919 außer Dienst gestellt und 1924 wieder verpflichtet wurden. 1936 wurden sie allmählich motorisiert, und nur das 1. Bataillon diente an der albanisch-griechischen Front — bis zum September 1943. Dann war Schluss.

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Das ursprüngliche Bianchi-Modell, das auch im Museum in Soresina zu sehen war

Der Fahrrad-Hersteller Edoardo Bianchi gewann die erste Ausschreibung für ein Militärfahrrad. Das Modell 1912 wog 14 Kilogramm und hatte bereits Stoßdämpfer an der Vordergabel und hinten. Das Modell 1923 kam auf 25 Kilogramm, und das 1939 wog wieder weniger: 16 Kilogramm.

Enrico_TotiEin verehrter Bersagliere war Enrico Toti (1882-1916). Er hatte mit 26 Jahren bei einem Eisenbahnunglück sein linkes Bein verloren, was ihn indessen nicht davon abhielt, mit einer Prothese ausgedehnte Radreisen in Europa zu unternehmen. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wollte er unbedingt dabeisein, doch man lehnte ihn mehrmals ab. Schließlich bekam er eine Tätigkeit hinter der Front, griff aber in den Kampf ein und warf nach der Legende sterbend dem Feind seine Krücken entgegen. Toti bekam posthum eine Ehrenmedaille.

 

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