Damengambit

Vor drei Jahren war Damengambit die erfolgreichste Netflix-Serie in 60 Ländern. Die neun Filme der US-Serie haben anscheinend viele Leute (vor allem Frauen) zum Schachspiel gebracht, das ich liebe, seit ich 15 bin. Leider hat sich mein Schachpartner Oswin schon vor eineinhalb Jahren in die nächste Welt verabschiedet. Ich will aber wieder mehr Schach üben.

Das Buch Damengambit hat der Amerikaner Walter Tevis (1928-1984) geschrieben. Ein Gambit ist eine Eröffnung, bei der man einen Bauern hergibt, um dafür eine bessere Stellung zu bekommen. Beim Damengambit beginnt der weiße Bauer mit d2-d4, der schwarze stellt sich ihm gegenüber (d7-d5), und dann spielt Weiß c2-c4 und bietet Schwarz damit den Bauern an.

Die Serie besteht aus neun Folgen, und Anya Joy-Taylor spielt Beth Harmon, die als 9-Jährige im Keller des Waisenhauses durch den Hausmeister das Schachspiel kennenlernt und sich als junges Genie erweist. Beth lebt für das Schachspiel und den Traum, den größten russischen Großmeister zu besiegen. Sie isoliert sich von anderen und nimmt Pillen, um ihren Geist aufzuputschen, und Alkohol ist ihr auch nicht fremd.

Dabei ist das Schachspiel schon ein großer Suchtfaktor. Du sitzt einem Gegner gegenüber, der seinen Plan verwirklichen und den deinen stören will, aber eigentlich gibt es nur diese 64 Felder auf dem Tisch mit den Figuren darauf. Diese Felder sind die Welt, außer ihr existiert nichts mehr. Und nun wird analysiert: Wie kann ich den gegnerischen König umzingeln, angreifen und anfallen? Welche Linien sind frei, wie sieht mein Zentrum aus, welche Tricks kann ich probieren? Schach ist etwas für Mathematiker und für kreative Köpfe, die gern in einem eigenen geistigen Raum unterwegs sind.

Die Filme sind wunderbar gemacht und spielen zwischen 1963 und 1968, was auch Gelegenheit gibt, ein Sittenbild der damaligen Zeit in den (konservativen, frauenfeindlichen und rassistischen) Vereinigten Staaten zu erstellen, und Russland ist wohlwollend geschildert. Gerade die letzte Folge ist ergreifend. Beth bekommt Hilfe durch ihre Freunde; sie ist nicht alleine. Und sie lässt sich nicht für politische Zwecke einspannen, sie setzt ihren Kopf durch. Das ist ehrenvoll. Freilich geht es um Beth und ihre Entwicklung.

Das Schachspiel wird ernst genommen, doch der Schachfreund muss bedauern, dass es dann doch nur eine Nebenrolle spielt. Man hätte sich gewünscht, manche Stellung länger betrachten zu dürfen, um selbst zu entscheiden, was zu tun ist.

Schachspiel und die Schachnovelle von Zweig: gesehen im Literatrurmuseum Wien

Schachspiel und die Schachnovelle von Zweig: gesehen im Literaturmuseum Wien

 

Vladimir Nabokov spielte gern Schach (siehe Lushins Verteidigung), der Künstler Marcel Duchamps auch. Im Film gibt es in Thomas Crown ist nicht zu fassen die legendäre Partie zwischen Steve McQueen und Faye Dunaway, die danach im Bett weitergeführt wird. Die beiden sagen kein Wort; erst nach dem Blick auf die hoffnungslose Lage seiner schwarzen Figuren zieht er sie an sich und knurrt: »Play something else?« (Er sagt es jedoch ohne Fragezeichen, es klingt wie ein Kommando.) Ein Kommentator auf Youtube zu der Szene: »If this doesn’t make you want to play chess, nothing will.«

Die Schachnovelle von Stefan Zweig muss noch erwähnt werden sowie die Tatsache, dass der König immer nur ein Feld sich vorwärtsbewegen darf, die Dame jedoch die mächtigste Figur ist. Das wurde im 11. oder 12. Jahrhundert so eingeführt, als die Frau an Einfluss zu gewinnen begann.

Dabei blieb es. Die einzige Schachspielerin, die auf sich aufmerksam machen konnte, war die Ungarin Judit Polgar, die bis auf Platz 8 der Weltrangliste vorrückte, bevor sie vor 10 Jahren vom Spitzensport Abschied nahm.

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