Letzter Wille
Als ich über Sisis Leben las, fiel mir etwas unangenehm auf: Ihrem Wunsch, »am Meer, am liebsten in Korfu« bestattet zu werden, wurde nicht entsprochen. Am 17. September 1898 wurde ihr Leichnam in der Wiener Kapuzinergruft bestattet. Das gehörte sich so für eine Kaiserin. Aber — galt ihr Wunsch, zu Lebzeiten geäußert, nichts?
Das war unfein, oder, wie eine Bekannte so treffend sagte: Es war respektlos. Ihr letzter Wille wurde ignoriert. Gilt der letzte Wille nur dann, wenn er mit einer Unterschrift besiegelt und von einem Notar gegengezeichnet wurde? Anscheinend denkt man sich: Sie oder er ist verschwunden, was kümmert uns, was sie (oder er) gewollt haben mag? Auch wenn man argumentieren könnte, es sei ja nur der Körper, so ist es doch ein Verstoß gegen die guten Sitten. Ich finde, der letzte Wille eines Menschen ist heilig. Man soll auch überlegen, was der oder die Verstorbene gewollt haben mag, um dessen/deren Andenken gerecht zu werden.
Es wird noch viele derartige Beispiele geben. Mir fällt dazu etwa George Michael ein, der englische Popsänger, der an Weihnachten 2016 mit 53 Jahren starb. Er hinterließ 100 Millionen britische Pfund, die seine beiden Schwestern und der Vater erbten. Das sind vermutlich 150 Millionen Euro. Bei Wikipedia heißt es: »Sein langjähriger Lebensgefährte Fadi Fawaz wurde am Nachlass nicht beteiligt.« Der Mensch, der George Michael so viel bedeutete, bekam nichts, nicht einmal eine Million. Das ist schäbig und widerwärtig. Auch da wird es viele andere Beispiele geben. Wenn eine Verbindung nicht legalisiert wurde, ist man den Erben ausgeliefert, und wenn es ums Geld geht, sind die Leute gnadenlos. Sollen sie mit ihren 150 Millionen glücklich werden. Man kann nur hoffen, dass sie vor dem Ende ihres Lebens zur Einsicht kommen, wie falsch sie gehandelt haben.
Wer gelebt hat, hat auch Spuren gelegt. Der Mensch mag verschwunden sein, doch er hat etwas hinterlassen, das wir ehren sollten.
Im Buch der Geister von Allan Kardec (1857) lautet Punkt 328 so:
Frage: Ist der Geist anwesend, wenn seine Nachkommen über sein Erbe verhandeln?
Antwort: Fast immer. Die Vorsehung hat das so eingerichtet, um den Geist etwas zu lehren und ihn für seine Selbstbezogenheit büßen zu lassen. Der Verstorbene wird damit in die Lage versetzt einzuschätzen, was die Bekundungen von Sympathie und Ergebenheit, die ihm zu Lebzeiten entgegengebracht wurden, wert waren; oft ist seine Enttäuschung groß, wenn er die Gier miterleben muss, mit der um seine hinterlassenen Güter gestritten wird. Doch die Bestrafung von gierigen Erben wird nicht auf sich warten lassen.