Das siebte Klima

Mit Henry Corbin (1903-1978), dem französischen Islamwissenschaftler, hatte ich 2006 in St. Gallen meine Lesereise ins Jenseits begonnen. Corbin war sehr von dem persischen Mystiker Suhrawardi (gestorben 1191) beeinflusst, und die Perser wussten schon viel über jenseitige Reiche, und wie poetisch das bei ihnen klingt! Man wird davon ergriffen.

45112094835_2fd0c5534f_bDer Schöpfer in der persischen Mythologie heißt Ahura Mazda. Er ist Vater und Mutter zugleich, und sein Mutter-Aspekt ist Spenta Armaiti: die Erde, das Weib. Neben ihm stehen zur Linken 3 weibliche Erzengel, zur Rechten 3 männliche. Sodann gibt es viele weibliche Lichtwesen oder Schutzengel: die Fravartis (die, die ausgewählt wurden).

Es herrscht ein doppelter Dualismus: Gut/Böse (der Böse ist Angra Mainju), weltlich/jenseitig. Alle Wesen sind hier vorhanden, haben aber ein Gegenstück im Jenseitsreich; sie sind hier im menôk-, dort im gêtik-Zustand. Wir haben ein persönliches himmlisches Pendant, das man Daênâ nennt: unser transzendentales Ich, Tochter von Spenta Armaiti. Am dritten Tag nach dem Tod kommt uns auf der Chinvat-Brücke dieses unser jenseitiges Ich entgegen, und es ist bezaubernd schön, wenn wir gut gelebt haben.

In der anderen Welt gibt es sieben »Klimas«. In der Mitte finden wir Xvarnah, den zentralen »Keshvar«, auf den hin alles orientiert ist. (Er ist selber wiederum in sieben Regionen unterteilt.) Die anderen 6 Keshvars heißen Savadhi (im Osten), Arezahi (im Westen), Fradadhafshu und Vidadhavsu im Süden, Vouru barshti und Vuru jareshti im Norden. So war die himmlische Topographie der alten Perser.

Vielleicht kommt daher die Redewendung »im siebten Himmel sein«. In der Bibel findet sich der Ausdruck nicht; Paulus schreibt einmal, er kenne jemanden (sich selbst), der in den »dritten Himmel« entrückt worden sei (vermutlich in einer außerkörperlichen Erfahrung.) Im Koran wird in Sure 17,44 gesagt, die sieben Himmel verehrten den Herrn, doch lange Jahrhunderte vor dem Koran, der erst im 7. Jahrhundert überliefert wurde, gab es schon die persische Religion des Zoroastrismus. Sieben, die heilige Zahl. Sieben Metalle trägt der Mensch im Körper; die Zahl acht steht für das Gold.

arabien

Die Perser sprachen auch von einem achten Klima. Es liegt zwischen der physischen Welt und der Welt der Seelen. Dieser achte Keshwar, das ist das »Land der smaragdenen Städte«. Es ist eine Licht-Welt mit Ausdehnung und Formen (aber feinstofflich, nicht materiell) und enthält alle Objekte der imaginalen Wahrnehmung, alle Visionen, alle realistischen Träume, Archetypen und Ideen. Das achte Klima ist ein barzakh, ein Zwischenreich und gilt gleichzeitig als Grenze zwischen Erde und Himmel und Verbindungsglied zwischen beiden.

In dieses Zwischenreich treten die Seelen nach dem Tod ein, und Ibn Arabi war sicher, dass es noch einen zweiten barzakh gäbe, in dem dann die Werke und das Resultat ihres Tuns zu den Seelen träte. Die Absicht ist wichtiger als der Akt, der das Wollen dann abschloss. Von dort wird es wohl in die Himmelsregionen gehen; von einer Hölle liest man nichts. es könnte aber sein, meint Ibn Arabi, dass viele Verstorbene lange Zeit im ersten barzakh verbleiben. Sie können auch transparent wieder auf der Erde erscheinen.

bremgaDie Körper bekleiden sich laut Suhrawardi mit »nur shariq«, legen also das Kleid des Lichts der Morgenröte an. Sie reflektieren das überirdische Licht, strahlen aber auch intensiv. (Dieses Leuchten haben auch Menschen bei Nahtod-Erfahrungen berichtet.) Mit ihrem geistigen Selbst sind sie denen ähnlich, die sie auf Erden waren. Jeder Gedanke wird gleich erfüllt. Alle gehören zusammen, einer ruht sich auf dem anderen aus. Spätere Autoren wie Shirazi betonten, jedes Universum für eine Seele sei anders; es gebe viele individuelle Himmel.

Wir haben ja erwähnt, dass das zentrale Xvarnah in 7 Regionen aufgeteilt ist, und diese wiederum je in sieben und so fort. Überhaupt gibt es, wie Swedenborg auch betont hat, viele individuelle Himmel, für jeden einen.  Das Paradies kommt auch aus dem Persischen: von pairi-daeza, geschlossener Park.

Im Judentum ist der Name pardes, und Gershom Scholem zeigte, wie hoch intellektuell und sprachlich bewusst die Rabbis dieses Wort zerlegten. Jeder Buchstabe bedeutet etwas (Vokale zählen dabei nicht, Hebräisch und Arabisch sind Konsonantensprachen, die Vokale werden als Zeichen über oder unter den Buchstaben angebracht): p steht für peshat, die wörtliche Bedeutung, r für remez, die allegorische Bedeutung, d für derasha, die talmudische Bedeutung und s für sod, die mystische Bedeutung.

Die Perser glaubten, dass unsere gute alte Erde durch den Angriff der Truppen Ahrimans (der Böse) zerstört werde und untergehe, wie es ja auch am Ende der Bibel prophezeit wird und wie es mit Odins Welt passiert. Doch in all diesen Fällen ersteht eine neue Welt; bei den Persern heißt das Frashkart, Verjüngung der Welt.

Die persische Religion war eine der ersten und edelsten der Welt. Der Prophet, möge er gesegnet sein, wird mir schon vergeben, wenn ich sage, dass es jammerschade ist, dass die Moslems Persien überfielen und ihm den Islam aufdrückten. Heute heißt Persien Iran und sollte stolz sein auf seine ruhmreiche spirituelle Geschichte.

 

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