Winckelmanns letzter Brief

Winckelmann war in Verfall und Nachleben erwähnt worden, Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), und als meine Blicke über meine kleine Bibliothek schweiften, blieben sie an Briefe aus Rom hängen. Sein letzter Brief ist vielsagend, er hatte solche Sehnsucht nach der Ewigen Stadt. Doch waren ihm noch wichtiger als die alten Römer die alten Griechen. 

Winckelmann löste mit seinen Nachforschungen und Formulierungen eine Liebe zu den antiken Kunstwerken aus, der auch Goethe und Schiller erlagen. Dabei waren die Statuen der Griechen ja schon über 2000 Jahre alt. Der Mensch braucht manchmal ein Ziel, auf das er seine Begeisterungsfähigkeit richten kann, und so wurde das Griechentum zum Ideal im 18. Jahrhundert.

Winckelmann verließ Anfang 1768 Rom (rechts ein Porträt von Anton von Maron aus jenem Jahr), wohin er 1755 gezogen war. Er wollte Freunde in Deutschland aufsuchen. Der letzte seiner 200 erhaltenen Briefe, durchweg Meisterwerke, richtete sich an Wilhelm Muzell Baron Stosch, 1725 geboren, den der Gelehrte sehr mochte; Winckelmann liebte überhaupt Männer. Und wie er, wie man damals Briefe schrieb!

Wien den 14. May 1768.

Mein edler liebster Freund

Ich bin endlich nach einer höchst beschwerlichen Reise vorgestern Abend in Wien und zwar nach 5 Wochen unserer Abreise aus Rom, angekommen, und Ihr geliebtestes Scheiben ist mir von dem Hrn. von Wallmoden eingehändiget worden. Diese Reise aber, anstatt daß sie mich hätte belustigen sollen, hat mich außerordentlich schwermütig gemacht, und da es nicht möglich ist, mit der benöthigten Bequemlichkeit dieselbe zu machen und fortzusetzen, folglich kein Genuß ist, so ist für mich kein Mittel mein Gemüth zu befriedigen und die Schwermuth zu verbannen, als nach Rom zurück zu gehen. Ich habe mir von Augspurg an die größte Gewalt angethan, vergnügt zu seyn; aber mein Herz spricht Nein und der Wiederwillen gegen diese weite Reise ist nicht zu überwältigen. Der Genuß der Ruhe würde bey Ihnen, mein Herz, nur von kurzer Dauer seyn, und ich müßte auf meiner Rückreise in hundert Städten anhalten, und eben so oft von neuen zu leben anfangen. Haben Sie Geduld mit mir, mein Freund.

Da mir dieser mein sehnlicher Wunsch vergället worden, so bin ich überzeuget, daß für mich außer Rom kein wahres Vergnügen zu hoffen ist, da ich es mit tausend Beschwerlichkeiten erkaufen muß. Mein Gefährte Cavaceppi begreift die Nothwendigkeit dieses meines Entschlußes, will aber dem ohngeachtet seine Reise über Dessau bei Berlin fortsetzen, wo er sich nur ein paar Tage aufzuhalten gedenket, und sich Ihren Beystand ausbittet. (…)

Mein Herz! viel mehr wollte ich schreiben, aber ich bin nicht wie ich zu seyn wünsche, und suche in wenigen Tagen mit der Land-Kutsche auf Triest, und von da zu Wasser nach Ancona überzugehen. Ich küße Ihnen mit der innigsten Wehmuth die Hände

Ihr ewiger W.

Winckelmann fuhr nach Triest und damit, was er nicht wissen konnte, dem Tod entgegen. In Hotel Locanda Grande hatte er als Zimmernachbarn Francesco Arcangeli, was auf Deutsch Erzengel heißt. Ihm zeigte er die wertvollen Münzen, die ihm Kaiserin Maria Theresia geschenkt hatte. Am Morgen des 8. Juni 1768 versuchte Arcangeli Winckelmann zu berauben und stach mit dem Messer auf ihn ein. Sein Opfer verblutete, konnte aber noch seine Aussage machen. Der »Erzengel« wurde verhaftet, vor Gericht gebracht und durch Rädern hingerichtet.

 

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