Hemingways dramatisches Jahr

Am 25. Januar hatte manipogo Hemingways (und seiner Frau Marys) Ausflug zu den Murchison Falls in Uganda erwähnt — und die beiden Flugzeugabstürze. Erst im September merkte ich, dass das, was Ernest darüber geschrieben hatte, in einem Buch stand, das sich in meinem Besitz befand. Ich will aber nur die Abstürze wiedergeben. 1954 war das, vor 70 Jahren. Im Herbst bekam er dann den Literatur-Nobelpreis.

Aus: Weihnachtsbescherung, in: Look, 20.4. und 2.5. 1954

… Die Murchison-Fälle sind sehr schön. Sie sind eher ein Katarakt über mehrere Stufen hinweg als ein plötzlicher Absturz wie der Niagarafall. … Als wir gerade von den Fällen wegdrehten, sahen wir vor uns einen Schwarm großer Vögel, die ich für schwarze und weiße Ibisse hielt. Wir hatten den Schwarm schon auf unserem Flug den Fluss herauf gesehen. Ein Vogel von dieser Größe kann ohne weiteres die Plexiglasscheibe durchschlagen und in einem Flugzeug wie dem unseren den Piloten oder Ko-Piloten ausschalten.

Da Miss Mary auf dem Kopilotensitz saß, drückte Roy Marsh die Maschine scharf herunter. Wir sahen, wie die Vögel über uns hinwegstrichen … Wir waren dabei ohne unser Verschulden von unserem Kurs abgekommen und kollidierten mit einem Draht einer nicht länger benötigten Telegrafenleitung. Diese Leitung war aufgegeben worden, als die Radiostation eingerichtet worden war … Das Flugzeug hatten den Draht mit dem Propeller und dem Leitwerk zu fassen bekommen. Im ersten Moment reagierte es nicht auf die Ruder, und dann war es so beschädigt, dass wir landen mussten.

(…) Der Fluss war unter uns. Aber wir kannten ihn ja jetzt. … Roy Marsh wählte die einfachere und bessere Lösung. Er drehte scharf nach links ab, wo freies Land zu sehen war. Das Land war mit schwarzem Busch bedeckt, aber eine Cessna kann bei einer Geschwindigkeit von vierzig Meilen landen. Und Roy Marsh … setzte sie sehr sanft auf und auf dem weichsten Buschwerk, das erreichbar war.

Sie biwakierten dort, hatten immerhin noch Bier und Whisky und Wasser … Elefanten tauchten auf, da wurde es spannend … bis dann ein Schiff erschien und die drei mit sich fortnahm. In Butiaba entschieden sie sich, mit dem Auto nach Masindi weiterzufahren (da waren wir vor einem Jahr auch). Hemingway weiter:

Wir trafen aber einen Piloten, der den ganzen Tag nach uns gesucht hatte und uns unbedingt mit all unseren Sachen direkt nach Entebbe fliegen wollte. Er hatte sein Flugzeug, eine de Havilland Rapide, schon aufgetankt und war klar zum Starten. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das Auto nach Masindi genommen, wie wir es schließlich auch taten, aber wenn man aufgefordert wird, eingeladen in das schnellste Fahrzeug im Geschäft, ist der Vorschlag praktisch eine Order. Captain Reginald Cartwright machte eine schnelle Kontrollfahrt auf der Rasenpiste. (…)

In der Maschine nahmen Captain Cartwright auf dem Piloten-, Roy Marsh auf dem Kopilotensitz Platz. Ich saß hinter Captain Cartwright, als Gewichtsausgleich. Cartwright hatte angeordnet, dass wir möglichst weit vorn sitzen sollten. Als wir ein Drittel der angeblichen Piste hinter uns hatten, war ich überzeugt, dass der Start nicht glücken werde. Wir rollten aber weiter, mit Vollgas, und die Maschine bockte von Bodenwelle zu Bodenwelle wie eine Wildziege. Plötzlich flog das Ding, das jetzt noch Flugzeug hieß, flog heftig, wenn auch ohne eigenes Verdienst, hielt sich im Flugzustand noch einige Sekunden und setzte heftig auf. Man hörte das übliche Geräusch, das wir nun alle kannten: Metall zerfetzte.

Leider wurden bei dieser zweiten Gelegenheit Flammen beobachtet. Sie schlugen aus dem rechten Motor, der brannte. Der rechte Flächentank war voll, denn bis Entebbe ist es eine ganze Strecke, und der Wind blies die Flammen gegen den Rumpf des Flugzeugs.

Hemingway wusste, dass man eine zweimotorige Maschine durch dieselbe Luke verlassen sollte, durch die man eingestiegen ist. Doch die Luke war verklemmt. Hemingway:

Ich hatte die Tür mit Kopf und Schulter aufgestemmt. Ich sprang auf die linke Tragfläche, die noch nicht brannte, und zählte ab: Miss Mary, Roy und der Pilot. Sie waren durch eine Öffnung gekrochen, durch die ich nicht durchgekommen wäre.

Hemingway hatte eine Gehirnerschütterung erlitten, als er mit seinem Kopf die Tür aufdrücken wollte. Er schilderte:

In solchen Augenblicken gibt es Erscheinungen, die vielleicht von Interesse sind: anstelle einer schönen Frau sehen Sie zwei schöne Frauen auf der Straße. Ihr Verhältnis u Ihrem Kopf wird brüderlich, als gehöre er, statt ganz, nur halb dazu. Ihr Gehör schwankt, so dass Sie manchmal Ihre eigene Stimme nicht verstehen können — dann alarmiert Sie wieder jeder Ton. Zwischen meinem Schädel und meinem linken Ohr fühlte sich jetzt alles wie flüssig an …

Man vermutet, dass das Gehirn doch schwerer beschädigt wurde. Ernest Hemingway konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren, bildete Verfolgungswahn aus und verfiel in Depressionen, und schließlich nahm er sich 7 Jahre nach dem Unglück das Leben wie einige seiner Vorfahren. Die Enkelin Margaux, geboren im Februar 1954, starb im Alter von 42 Jahren ebenfalls durch Suizid.

Dazu lesen:

Die grünen Hügel Afrikas

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.