Die Zeit und die Conways
Das Theaterstück Die Zeit und die Conways von J. B. Priestley wurde 1937 in London uraufgeführt — wie auch vom selben Autor Du warst schon einmal hier (You Have Been Here Before). Das Phänomen der Zeit hat Priestley, der 1894 geboren wurde und 1984 starb, sehr beschäftigt, und es mag einen, wenn man weit genug denkt, zu einem gelassenen »Blick von oben« führen.
Ein bedeutender Autor. Bekannt wurde er auch durch das Stück An Inspector Calls. — You Have Been Here Before hat manipogo schon einmal behandelt; nun habe ich es mir auf Youtube angeschaut und war wieder begeistert. Da tritt ein deutscher Mystiker und Gelehrter auf, Dr. Görtler, und wirkt wie ein guter Therapeut und klärt die Lage. 1937 waren die Deutschen ja nicht gerade beliebt in Europa.
Die Zeit und die Conways spielt im ersten Akt im Jahr 1919, und die sechs Kinder der Conway-Familie sind noch klein. Der zweite Akt spielt in der Gegenwart (1937), Kay ist nun 40 Jahre alt, und alle sind bekümmert, es gibt viele Probleme. Priestleys Personen gehen scharf ran, es gibt viele Auseinandersetzungen (subtil und weniger subtil) und gegen Ende des zweiten Akts beklagt sich die Mutter, Ms Conway (wie später Kay), dass die Zeit alles zerfresse. Kay sagt einmal im ersten Akt: »Wir rennen im Kreis herum wie Zirkuspferde.«
Priestley galt als düsterer Autor, doch in einem Interview mit der BBC wirkt er humorvoll und jovial. Er war besessener Pfeifenraucher wie manche Autoren früher (etwa Georges Simenon), und er liebte Häuser, die hoch waren, damit auch er den Überblick hätte, ganz konkret.
Alan, der in irgendeinem Amt Angestellter ist, fragt, ob Ms Conway je William Blake gelesen habe und zitiert (in meiner Übersetzung):
Freud und Leid sind eng verwoben,
Sind Kleider für die Seele droben
Für jeden Schmerz, für jede Pein
Läuft Freude drunter silbern fein.
Und das ist richtig, keine Frage
Der Mensch besteht aus Freud und Plage
Und wenn wir das dann sicher wissen,
Gehn wir vergnügt, tun nichts vermissen.
Es werde immer schlimmer, wirft Kay ein. Die Zeit züchtige uns. Alan meint hingegen, die Zeit sei nur eine Art Traum. Sie zerstöre nichts. Sie schiebe uns in diesem Leben nur von einem Schlüsselloch zum nächsten.
Kay bemerkt, die glücklichen jungen Conways (aus dem ersten Akt) seien verschwunden für immer.
Alan:
Nein, sie sind wirklich und sie existieren, so wie wir zwei hier und jetzt wirklich sind und existieren. Wir sehen einen anderen Teil der Gesamtsicht — einen schlechten Teil, wenn du so willst —, aber die ganze Landschaft ist noch da. … Es ist schwer zu erklären. … Aber es ist so, dass wir in diesem Augenblick nur ein Querschnitt unseres wirklichen Selbsts sind. Was wir wirklich sind, das ist die ganze Ausdehnung von uns, all unsere Zeit, und wenn wir das Ende dieses Lebens erreichen, werden unsere Selbste und all unsere Zeit wir selber sein — das wahre Du, das wahre Ich. Und dann finden wir uns möglicherweise in einer anderen Zeit wieder, die bloß ein weiterer Traum ist.
Kay sagt, sie seien derzeit in Panik wie auf einem sinkenden Schiff. Er jedoch, Alan, sei ruhig, er sei gesegnet.
Alan: Man ist nicht in Panik, wenn man den Überblick behält.
Kay: Als ob wir — unsterblich wären?
Alan (lächelt): Ja, und unterwegs zu einem unglaublichen Abenteuer.
Verwandte Artikel:
Es war (nicht nur) einmal — William Blake — Mike Ricksacker und die Zeit.