Americanah (2): Deine Blackness

Ifemelu beginnt in dem Roman Americanah einen Blog, der sich mit »Blackness« beschäftigt. Wie geht es den Schwarzen in Amerika?  Es gibt, beschreibt sie, eine Hierarchie: oben Hispanics, Jamaikaner und die »light Blacks« wie etwa Barack Obama und Kamala Harris. Die »erkennbar Schwarzen« rangieren immer ganz unten und werden schnell eines Verbrechens beschuldigt. Sie werden auf eine Stufe mit armen Weißen gestellt. 

Bei einer Dinner-Party sagte eine Afrikanerin, sie sei 3 Jahre mit einem Weißen zusammengewesen, und Rasse habe dabei nie eine Rolle gespielt. Ifemelu reagiert darauf mit dem Satz: »Das ist eine Lüge.« Sie erklärt sich so:

Der einzige Grund dafür, dass Sie sagen, Rasse sei nie ein Thema gewesen, ist, dass Sie sich wünschen, es wäre keins. Wir alle würden uns wünschen, dass sie kein Thema wäre. Aber es ist eine Lüge. Ich komme aus einem Land, in dem Rasse kein Thema war. Ich dachte mich nicht als schwarz, und schwarz wurde ich erst, als ich nach Amerika kam. Wenn du in Amerika schwarz bist und dich in einen Weißen verliebst, spielt Rasse keine Rolle, denn wenn ihr allein seid, gibt’s nur euch beide. Aber in der Minute, in der ihr das Haus verlasst, ist Rasse ein Thema. Aber wir reden nicht darüber.

Ifemelu mit Curt, ihrem weißen Partner: Der Kellner schaut nur ihn an und führt ihn zu Tisch, sie ist unsichtbar. (Das ist Frauen schon öfter passiert, sie mussten nicht schwarze Hautfarbe besitzen.) — Ein Computer wird gehackt, und beschuldigt wird natürlich Dike, der einzige schwarze Junge in der Klasse. — Der Nigerianer Ermenike winkt in London nach einem Taxi; der Fahrer schaltet plötzlich das Besetzt-Zeichen ein … und wieder aus, sobald er Ermenike passiert hat. — Ein schwarze Pförtner will einem Freund sein Auto leihen, gibt ihm unter der Hand die Schlüssel; jemand vermutet Drogengeschäfte, beide werden verhaftet.

Ifemelu lässt einen Bekannten einen Gastbeitrag verfassen. Er ist als »erkennbarer Schwarzer« um die Welt gereist und gibt Tipps. Der Beitrag im Buch heißt Travelling when Black.

Sagt den Leuten, die erkennbar schwarz sind (recognizably black), worum es geht. Zwar wird dich niemand erschießen, aber es wäre gut zu wissen, dass man angestarrt wird. Im deutschen Schwarzwald ist dieses Starren ziemlich feindlich.

Hemingway hatte vor 100 Jahren im Schwarzwald selber Ausländerfeindlichkeit erlebt, wie aus diesem manipogo-Beitrag hervorgeht. Dabei waren sie nicht einmal schwarz; sie waren junge weiße Amerikaner — aber eben Fremde. Die waren 1924 selten wie Bären.

Da denke ich mit Freuden an eine Fahrt durch den Schwarzwald im Oktober 2023. Es ging zu einem von der Firma gesponserten Abendessen mit Krimi-Ratespiel. In Müllheim bestieg ich den Wagen, den Christian steuerte, und neben ihm saß Yao. Beide stammen aus Togo. Und sie ließen afrikanische Musik laufen und unterhielten sich in ihrer Muttersprache, Ewe. Wir, mit schwarzer Musik durch den Schwarzwald. Black Music, Black Forest! Legendär.

Das war auch die Fahrt eines Cabrios durch den Schwarzwald, in dem Miles Davis (1926-1991) saß, der berühmte Jazz-Trompeter. Vor seinem Auftritt im Freiburger Jazzhaus wollte man ihm Ende der 1980-er Jahre die Landschaft zeigen. (Rechts Badenweiler um 1890, Dank an Library of Congress, Wash. D. C.)

Was erzählen unsere afrikanischen Freunde von Rassismus in Deutschland? Wahrscheinlich verschweigen sie auch das meiste, die kleinen Diskriminierungen, die verwunderten Blicke, die Zurücksetzungen. Im Film in den USA ist selten eine »erkennbar Schwarze« zu sehen, aber immerhin fallen uns Denzel Washington, Forest Whitacker und Morgan Freeman ein. Das sind drei, die es geschafft haben. Aber es sind Männer. Whoopi Goldberg? Ja. Ziemlich schwarz. Die einzige. Das »schwarze Schaf«. Der Rassismus steckt schon im Volksmund.

Vergessen wir nicht, dass die USA 1896 mit 7:1 Stimmen die Rassentrennung einführten. Erst 1954 wurde sie aufgehoben — aber nur auf dem Papier. In den Südstaaten der USA gab es noch bis 1964 Autobusse, Krankenhäuser, Schulen und Toiletten für Weiße und Schwarze getrennt. Dann erst unterzeichnete Präsident Lyndon Johnson den Civil Rights Act. Formell waren Weiß und Schwarz danach gleich. Formell.

Nach repräentativen Studien haben in den USA 86 Prozent der Schwarzen und 70 Prozent der Hispanics Kamala Harris gewählt. Es hat nichts genützt.

 

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