Die Saat des heiligen Feigenbaums

Wir hatten ja wiederholt auf die hohe Qualität des persischen Filmschaffens hingewiesen. Doch derzeit ist freies Arbeiten nicht möglich, da in Iran religiöse Führer die Macht innehaben. Da wird zensiert, und Freiheitsbestrebungen werden brutal niedergeschlagen. Der Regisseur Mohammad Rasulof war immer mutig und scherte sich nicht um die Zensur. Sein zehnter Film wurde in Cannes im Mai bejubelt und ist nun in den Kinos.

Nach Inhaftierungen und Verurteilungen gelang es Rasulof endlich, nach Deutschland auszureisen. Sein Film Die Saat des heiligen Feigenbaums erhielt in Cannes bei den jüngsten Filmfestspielen 15 Minuten Beifall, mehr als je ein Film zuvor dort. Er bekam zwar nicht die Goldene Palme, aber immerhin einen Preis der Jury. Der Film wurde sehr gelobt, doch Kritiker wiesen auch darauf hin, dass dieser engagierte Beitrag genau ein Kriterium für Cannes erfülle: politisch zu sein, mit einer klaren Aussage gegen Diktatur und Zensur.

Damit ist ein objektives Urteil nicht mehr möglich. Ich persönlich fand den Film auch gut und wichtig, doch es ist schwere, deprimierende Kost, und er ist mit 2 Stunden 48 Minuten viel zu lang. Man hätte ruhig eine Stunde kürzen können, meine ich; mir kam es vor, als hätte er 4 Stunden gedauert. Aber ja, das zählt nicht, wenn man an die politische Situation im heutigen Persien denkt. Studentinnen und Studenten hatten gebrüllt Nieder mit dem Gottesstaat!, doch die Polizei knüppelte ihre Demonstration grausam nieder. Ein Mädchen starb auf einer Polizeiwache.

Es war zu lesen, ein Experte habe sich kürzlich im Fernsehen abfällig über das Opfer geäußert; es gab sofort intensive Proteste, und der Mann musste zurücktreten. In Iran existiert eine breite Schicht liberaler und toleranter Kreise, die sich gegen den Druck durch die religiös geprägte Staatsmacht wehren. Der Film zeigt das programmatisch.

Iman ist soeben zum Ermittler ernannt worden, und dann wird er sogar Untersuchungsrichter. Er soll Todesurteile ohne Prüfung unterschreiben, weil der Staatsanwalt das befiehlt, und er tut es. Man muss schauen, wo man bleibt, und die Familie mit den beiden heranwachsenden Töchtern hätte gern eine Vier-Zimmer-Wohnung. So ist das in einem Unrechtsstaat: Entweder spielt man mit und wird befördert, oder man lehnt ab und ist aus dem Spiel. Wer mitmacht, wird sich jedoch eines Tages vor seinem Gewissen rechtfertigen müssen (wenn er eines hat).

Die Mutter hilft Iman gegen die Töchter, die natürlich durch ihre Handys verstehen, was draußen geschieht. (Die Social Media haben das Leben für Diktaturen schwerer gemacht!) Doch dann … verschwindet Imans Pistole. Wer hat sie an sich genommen? Er verdächtigt seine Töchter und zerstört im Grunde durch sein Misstrauen und seine privaten Verhöre die Vertrauensbasis. Iman ist ja kein harter Hund, sondern ein etwas trauriger, hilfloser Beamter, den dann jedoch die Paranoia ergreift, und wir erleben den Showdown …

Der iranische Präsident starb vergangenen Mai bei einem Flugzeugabsturz; der neue Mann jedoch, den man für liberal hielt, macht den alten Kurs weiter. Iran ist der zentrale Akteur im Nahen Osten. Das Land hatte die syrische Regierung mit ein paar Milliarden unterstützt und ist auch im Sudan aktiv, es verschafft der Hisbollah Waffen und will Israel vernichten. Dass Assad so schnell entmachtet wurde, war ein schwerer Schlag für die Machthaber, die auch den Unmut der Bevölkerung spüren. Kann ein Film da etwas ausrichten? Doch jeder Mensch, der sich auflehnt (wie sein Regisseur), gibt ein Beispiel.

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