Die Sachverständige und das Böse
Auf der Seite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) fand ich einen Podcast, und ein Beitrag zum Thema True Crime und das Böse bot sich an: Nahlah Saimeh aus Münster erzählte (am 15. Dezember 2024) in den »Salongesprächen« aus ihrer Praxis. Sie erstellt nach Gewaltverbrechen Gutachten über die Täter und hat auch über das vermeintlich Böse nachgedacht.
Der Podcast nennt sich (Recht) interessant. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat übrigens 33 Ausschüsse, und in Deutschland praktizieren 166.000 Anwälte und Anwältinnen. Nahlah Saimeh hat Bücher im True-Crime-Format geschrieben und ist seit 24 Jahren in der Forensik als Sachverständige tätig. Zitiert habe ich sie ja im Trump-Betrag schon, doch ich hab’s mir nochmal angehört, ich wollte die Zitate genau haben.
Frau Saimeh wird ebenso wie Anwälte derzeit von Bürgern in E-Mails und in den Social Media angegriffen und verunglimpft. Erst seit einem Jahr beobachtet sie diese vehementen Angriffe. Man wirft ihr vor, sie würde Straftäter in Schutz nehmen. Sie betont:
Meine Tätigkeit ist das Gegenteil der des Anwalts, der parteiisch sein muss. Als Sachverständige bin ich völlig unabhängig.
Sie nehme eine Kontextualisierung vor, um zu Erklärungen zu kommen; sie beschäftige sich mit dem Problem menschlich destruktiven Handelns. Das Böse beginne da, wo man den Menschen nicht mehr als Menschen sieht: Dämonisierendes Denken und Dehumanisierung führen zu Gewalt. Nahlah Saimeh beschreibt:
Wenn wir einen Leib annehmen, entwickeln wir ein dualistisches Bewusstsein: Du bist ein anderer als ich. Wir trennen nach Geschlechtern und Ethnien. Ich bin hier – du dort. Der Preis: ein gewisser Trennungsschmerz – von der absoluten bedingungslosen Liebe. Wir kennen keine absolute unkonditionierte Liebe. Um diesen Schmerz zu überwinden, gibt es zwei Wege: Wir können etwas Gutes, Prosoziales machen; oder wir können denselben Schmerz haben und eine aggressive Strategie finden, um den Schmerz zu übertünchen.
Der Stoff, aus dem wir zu destruktivem Handeln fähig sind, ist eigentlich die Sehnsucht nach Liebe. Das ist der tiefste Kern, auf den alles immer wieder zurückläuft.
Dass eine Sachverständige so etwas sagt, auch wenn es nicht glorreich formuliert ist, muss einem gefallen. Wer andere verletzt, verletzt sich selbst und will das vielleicht auch; es ist wie ein wütendes Anrennen an eine Mauer und natürlich falsch.Wir denken an unsere TestpilotInnen, die bedingungslose Liebe erfahren für kurze Zeit und alle behaupten: Es geht nur um die Liebe in unserer Existenz.
Aggressionen werden schnell einmal frei, manchmal unwillentlich. Nahlah Saimeh berichtete, dass sie nach ein paar Sätzen über Gruppenvergewaltigungen in Mails angegriffen wurde von Menschen, die eigentlich Gewalt an Frauen verabscheuen … und dass diese dann in ihrer Wutrede plötzlich ihrerseits Vergewaltigungsfantasien offenbarten. Wir müssen sehr darauf achtgeben, was wir tun und denken; wir müssen uns unseres Bewusstseins bewusst sein.
