Weißwäscher
In der Sydney Review of Books gibt es die Sparte Asian Literatures. Der letzte Esssay darin ist zwar schon wieder zwei Jahre alt, übergroß ist das Interesse nicht, aber lesbar und unterhaltsam sind die Beiträge immer. Durch die Thailand-Reise bekamen wir einen anderen Blickwinkel, den einzunehmen vielen anderen auch gut täte.
Um von unserem Eurozentrismus wegzukommen. Europa ist für Südostasien so weit weg, dass es praktisch inexistent ist. Schaut man zwei Stnnden fern (im Resort haben wir das mal gemacht), dann sieht man zwei Kanäle aus China und Berichte über Indien und die Philippinen sowie Nachrichten aus Japan. Viele Touristen kommen aus Kalkutta oder Manila, Singapur oder Korea, alles nur ein paar Flugstunden entfernt.
Singapur liegt 2000 Kilometer südlich von Bangkok; von Singepur fliegt man 7 Stunden 30 Minuten nach Sydney, von Jakarta 6 Stunden, San Francisco hingegen ist 13 Stunden entfernt. Für Australien ist Asien also relativ nah (aber so nah dann auch nicht, was erklärt, dass die Review wenig über asiatische Literatur hat).
Gelbe Unsichbrakeit betitelte Giselle Au-Nhien Nguyen ihren Beitrag über zwei im Jahr 2022 erschienene Romane: The Whitewash, der erste Roman von Siang Lu, und Interior Chinatown von Charles Yu. In beiden geht es um asiatische Filmdarsteller, die scheitern. – Die Kraft der Repräsentation! Wenn Minderheiten endlich in Film und Werbung vorkommen, haben sie das Gefühl, angekommen zu sein.
In Australien und Kanada gibt es seit mehreren Jahren Filme mit Asiaten, doch zu viele dürfen es auch nicht sein. Die männliche Hauptrolle, gut; aber sie (er!) darf nicht auch noch mit einer asiatischen Frau verheiratet sein, »dann«, sagt ein Fernsehmann, »kannst du gleich Untertitel dazutun«. Und die weißen Drehbuchautoren schreiben ihnen absurde Sätze auf den Leib. Siang Lu sagte, sie habe viel Energie darauf verwendet, hineinzupassen und weiß zu wirken; unten sehen wir ein Bild, gemacht in der Nähe des Flughafens Bangkok: Die Gesichter wirken ziemlich weiß, wohl um einer Erwartung zu entsprechen.
In den Medien werden die Darsteller dann auch noch »weißgewaschen«, damit der Konsument nicht Anstoß nimmt. Die Kulturindustrie führt aus, was das weiße Publikum angeblich verlangt; sie kommt jeglichen Protesten willfährig zuvor. Unsere Welt soll bequem bleiben.
In Interior Chinatown geht es um Willis Wu, dem es gelingt, eine große Rolle in einem Kung-Fu-Film zu ergattern. Die asiatischen Männer sollen aussehen wir Bruce Lee; die asiatischen Frauen werden durchgehend sexualisiert oder unterwürfig dargestellt, meint die Autorin. Asiaten wollen sich selbst auf der Leinwand sehen; die Zuschauer im Westen jedoch wollen gefällige Asiaten sehen, die ihr Selbstbild von Dominanz und Macht nicht in Gefahr bringen. Margaret Cho hatte in den 1990-er Jahren im US-Film Erfolg, doch die Bosse forderten von ihr, sie solle Gewicht verlieren, und den einen war sie »zu asiatisch«, während sie den anderen »nicht asiatisch genug« war. Die Kunst soll sich den eingewurzelten Vorstellungen beugen.
In Charles Yus Roman Interior Chinatown sagt Willis, der Schauspieler:
Ich bin schuldig, diese Rolle zu spielen. Mich von ihr definieren zu lassen. Die Rolle so verinnerlicht zu haben, dass ich nicht mehr weiß, wo die Realität beginnt und wo das Schauspielern. Und das mich definieren zu lassen, wie ich andere Leute sehe. Ich bin darin schuldig wie alle. Schwarze Männer und ihre Coolness zu fetischisieren. Weiße Frauen zu romantisieren. Zu wünschen, ich wäre ein weißer Mann.
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