Psi-Experimente (I): Orakel und Medien

Nun, in diesem Jahr, geht es weiter mit den Essays aus einem 2009 nicht erschienenen Parapsychologie-Band. Wir hatten schon die Phänomene und die Psychokinese behandelt, nun soll es um die Forschung gehen. Wie kann man Psi im Labor oder »im Feld« – also draußen in der Welt – untersuchen, messen und damit nachweisen?

Zur Erinnerung: Die Phänomene bestanden aus den Teilen Die Lady am Lift, Die Phäomene, Geistererscheinungen, Kleine Psi-Geschichte und Telepathie, Hellsehen, Präkognition. Das zog sich über vier Monate hin. Darum ging’s bei der Psychokinese (Falsche Bewegung?) schneller: abgehandelt in sechs Wochen mit den fünf Teilen Bewusstsein und Materie, Séancen und Hypnose, Heilung, Würfeln für die Forschung und weltweite Emotionen. Nach den fünf Teilen der Psi-Experimente folgt noch ein Essay über Jenseitsforschung, dann sind wir durch und wissen, was man über die Parapsychologie wissen sollte.  

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Der lydische König Krösus wollte die Zukunft kennen. Auf welches Orakel würde er sich verlassen können? Er stellte also das erste parapsychologische Experiment der Geschichte an, das uns Herodot (484−420 v. Chr.) in seinen Historien schildert.  Krösus sandte im 6. Jahrhundert vor Christus seine Boten zu sieben Orakeln aus, die exakt am 100. Tag nach der Aussendung der Boten sagen sollten, was Krösus an jenem Tag getan habe. (Er kochte ein merkwürdiges Gericht.) Nur das Orakel von Delphi und dasjenige des Amphiaraos kannten die richtige Antwort. Sie bekamen den Auftrag. Neue Frage: Sollte der König gegen die Perser zu Felde ziehen? Die Antwort lautete:  »Wenn Krösus den Fluss überquert, wird er ein großes Reich zerstören.« Krösus dachte: das der Perser. Gemeint war aber sein eigenes. 

Auch Shakespeares Macbeth hielt sich für sicher, als ihm eine Erscheinung kundgab, der Herrscher werde keinen Schaden von einem Menschen erleiden, der von einem Weibe geboren wurde; und er werde nicht besiegt werden, bis sich der Wald von Great Birnam in Bewegung setze. Auch die Folgen sind bekannt: Macbeths Überwinder war durch Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, und seine Soldaten verkleideten sich mit Zweigen und rücken schließlich als »lebender Wald« gegen Macbeths Schloss vor.

Man sollte sich nie auf mediale Vorhersagen verlassen. Prophezeiungen haben es an sich, unklar und eben »orakelhaft« zu sein. Darin ähneln sie Botschaften in Träumen, zu deren Verständnis nur der Träumer oder die Träumerin den Schlüssel besitzt. Jeder Mensch hat einen Forscher in sich. Er gibt sich nicht mit Behauptungen zufrieden, sondern geht ihnen auf den Grund. Auch die katholische Kirche hat immer sehr genau Berichte etwa von Wunderheilungen untersucht, und der »Promotor fidei« fungierte dabei als der Staatsanwalt. Er war der »Advokat des Teufels«, der zunächst einmal alles annahm, nur nicht ein Wunder. Prospero Lambertinis Text De Servorum Dei Beatificatione et Beatorum Canonizatione aus dem 18. Jahrhundert gilt heute noch.  

Untersuchungen im 19. Jahrhundert   

Die Behauptungen des »animalischen Magnetismus« durch Franz Anton Mesmer wurden erst lang nach seinem Tod, 1831, von einem aus Ärzten bestehenden Pariser Komitee untersucht und anerkannt. Der Württembergische Arzt Justinus Kerner (1788−1862) versuchte, die Angaben der Seherin Friedrike Hauffe genau zu überprüfen. In England erregte das schottische Medium Daniel Dunglas Home (1833−1886) Aufsehen. Sir William Crookes untersuchte den Schotten 1871, laut John Beloff „ein wichtiger Schritt, den Spiritualismus ins Labor zu bringen“. Sir William veranstaltete Sitzungen bei sich zu Hause.

In den 1870-er Jahren gab es große Materialisationsmedien, und für die junge Florence Cook interessierte sich wiederum Sir William Crookes. Er traf sämtliche Vorkehrungen, um Betrug von Seiten des Mediums auszuschließen – und kam zu der Folgerung, dass Katie King, die als »Geist« stets materialisiert auftrat, eine von Frau Cook verschiedene Person war. (Sie soll später Betrug gestanden haben, doch ganz glaubhaft ist das nicht.)  Von 1890 bis 1930 war die große Zeit der Medien. Junge Frauen tanzten hypnotisiert (die sogenannten Traumtänzerinnen), und man sprach überall von Indri Indridasson aus Island (um 1905), Eusapia Palladino, Eva C., Franek Kluski, Eva Goligher, Carlos Mirabelli und den Brüdern Schneider.

Eusapia Palladino war eine Frau aus Neapel, bei der auf Tische geklopft wurde, dann wieder eine Melone langsam durch den Raum schwebte und sich Hände und Arme zeigten. Zwar war sie nicht über allen Verdacht erhaben, doch die Untersuchungen unter strengen Bedingungen (zwei Teilnehmer hielten sie an den Armen fest, zwei andere an den Füßen) stellten ihr ein positives Zeugnis aus. 1893/94 wurde sie in Warschau von Charles Richet, Frederick William Henry Myers und Oliver Lodge untersucht, 1898 in Paris von Camille Flammarion, 1908 in Neapel von Feilding.

Weitere Untersuchungen von Medien

Bekannte Professoren beteiligten sich an den Untersuchungen: Lombroso, Schiaparelli und Morselli aus Italien, Aksakow aus Russland, Du Prel, Pagenstecher und Albert Freiherr von Schrenck-Notzing aus Deutschland. Bei letzterem war sogar in München-Bogenhausen zuweilen ein norddeutscher Literat zu Gast: Thomas Mann. Er schrieb einen Bericht über seine Séance und verarbeitete seine Erlebnisse im Roman Der Zauberberg. Das Medium war Rudi Schneider aus Braunau. Doch die bekanntesten Medien oder »Somnambulen«, die damals so bekannt waren wie heute Nicole Kidman und Paris Hilton, waren Frauen wie Margery und Kathleen Goligher.

Sie werden als physikalische Medien bezeichnet, weil bei ihren Séancen Gegenstände sich wie von selbst bewegten und Klopftöne zu hören waren. Daher wurden sie vor der Séance, freilich von Frauen, entkleidet, um etwaige Vorrichtungen entdecken zu können, und wenn es ernst wurde, hielt man ihnen Hände und Füße fest. Dass bei diesen Untersuchungen und den Beziehungen zwischen Untersuchern und Untersuchten auch eine erotische Komponente eine Rolle spielte, darf man annehmen; der Autor Stan Gooch hat einmal geschrieben, Sex sei die stärkste Triebkraft im Paranormalen, was Medien unter der Hand zuweilen bestätigen. 

Rudolf Tischner und Gustav Pagenstecher untersuchten Hellseher, also Menschen, die die »Psychoskopie« beherrschten, wie sie sagten: Sie konnten einen Gegenstand an ihre Stirn halten und etwas über dessen Herkunft sagen. Bei den Mentalmedien stehen Telepathie und Präkognition im Vordergrund. Gladys Osborne Leonard wurde bekannt durch das Buch Raymond, den Bericht des im Ersten Weltkrieg verstorbenen Sohns von Sir Oliver Lodge aus dem Jenseits, überliefert durch ihren Schutzgeist (»Control«) Feda. Sie wurde durch englische Wissenschaftler immer wieder getestet. Diese gaben bei den »Book tests« die Seite eines Buches an, das im Regal stand, und Frau Leonard sollte eine Passage daraus angeben; bei den »Newspaper Tests« ging es darum, was am nächsten Tag in der Londoner Times auf der Titelseite stehen würde. Gladys Osborne Leonard landete viele Treffer. 

Da sieht man schon den Einfallsreichtum der parapsychologischen Forscher. Denn bei den Untersuchungen geht es vor allen Dingen darum, natürliche Ursachen auszuschließen. Doch was man auch anstellt: Immer wird jemand auftreten und auf verquere Weise nachzuweisen versuchen, dass Betrug oder eine »Lücke im System« eine Rolle spielte. Seit es die Parapsychologie gibt, muss sie sich mit Skeptikern auseinandersetzen, die indessen auch eine wichtige Kontrollfunktion übernahmen. Gute Psi-Experimente müssen daher »wasserdicht« sein.

 

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