Die alkoholisierte Katze

Wieder kamen mir bei der Lektüre Katzen unter, darum machen wir damit weiter. Die alkoholisierte Katze treibt sich im Grenzbereich zwischen Psychotherapie und Parapsychologie herum. Schizoide Patienten fangen manchmal, meinte der Therapeut Montague Ullman (1916-2008), Dinge aus dem Leben ihres Analytikers telepathisch auf. Sein Fall steht in dem Buch Dream Telepathy.

Dieser Klassiker, geschrieben mit Stanley Krippner und Alan Vaughan, erschien bereits in den 1970-er Jahren und erlebte 1989 seine zweite Auflage. (Ob ich je in meinem Leben die zweite Auflage eines meiner Bücher erleben werde, steht dahin.) Das Motiv außersinnlicher Wahrnehmung habe sich am 28. Februar 1950 angedeutet, als Montague Ullman eine 40-jährige Frau behandelte. Sie erzählte ihm einen Traum vom 24. Februar.

Da stand eine Flasche auf dem Tisch, die zum Teil Alkohol, zum Teil Creme enthielt. Es war eine Art weißer, schaumiger Stoff … Ich schaute auf das Etikett. Darauf stand »angenehme Übelkeit«. Ich hätte es trinken sollen, wenn ich zu Bett ginge …
— Ich hatte einen kleinen Leoparden. Er war sehr gefährlich. 

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Zum ersten Traum fiel der Frau ein, das Getränk habe sie an Crème de menthe erinnert, einen Minzelikör, von dem ihr leicht übel werde. Zu der Aufschrift hatte sie eine Assoziation zu ihrem Sexualleben: Wenn sie sich errege, werde ihr schlecht. Nun musste Ullman seine eigenen Assoziationen loswerden. Am 24. Februar hatte er am Abend ein Treffen der New Yorker Medizin-Akademie besucht. Dr. Jules Masserman hatte über Neurosen bei Tieren referiert. In einer Passage ging es darum, wie man Katzen an Alkohol gewöhne. Eine solche Katze werde sich, vor die Wahl zwischen einem Becher Milch und einem Becher mit halb Milch, halb Alkohol gestellt, immer für die Mischung entscheiden.(Illustration: Lady & Leopards, fotografiert von M. Hall 1903. DAnk an Library of Congress, Wash. D. C.)

Ullman:

Man könnte spekulieren, dass eine Katze sich nach dem Genuss von ein paar dieser Drinks sich wie ein »kleiner Leopard« fühlen könnte, vielleicht wie ihre menschlichen Gegenstücke, die nach dem Genuss von ein paar »Grasshoppers« (Crème de menthe mit Alkohol) finden könnten, dass die angenehme Mischung später zu Übelkeit führt.

Der Therapeut erkannte, dass sich seine Patientin von ihm zurückzog. Sie hatte in einer früheren Therapie schlechte Erfahrungen gemacht. Die Episode mit der alkoholisierten Katze sei nur der erste einer Reihe von weiteren Träumen mit telepathischen Inhalten gewesen, die eine neue Straße der Kommunikation zwischen beiden eröffnete. Diese Patientin habe sich durch geringe Beziehungen zu anderen Menschen, durch Zynismus und das Gefühl von Resignation und Überflüssigsein ausgezeichnet. Wenn Patienten sich in diesem Borderline-Zustand befänden, den man schizoid nenne, meinte Ullman, komme es zu telepathischen Episoden als Ersatz für die normale Kommunikation.

Wenn die Patienten dann jedoch manifest schizophren werden, verschwindet ihre telepathische Fähigkeit. Was würde passieren, fragt Montague Ullman, wenn wir regelmäßig unsere Träume aufzeichneten und sie mit dem Leben unserer Bezugspersonen verglichen? Ein großer Teil unserer Träume, vielleicht 50 Prozent, handle von der Zukunft, meinte John Donne, aber ein anderer Teil womöglich vom Leben der Anderen, mit denen wir enger verbunden sind, als wir meinen.

 

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