Wiborada

Wiborada war die erste Frau, die von einem Papst heiliggesprochen wurde. Clemens II. erhob die Eremitin aus St. Gallen 1047 zur Ehre der Altäre. Eigentlich war sie ja eine »Reklusin«, denn sie hatte sich in St. Mangen in einen Raum einschließen lassen, der drei auf drei Meter maß und nur eine kleine Fensteröffnung besaß, durch die sie ihr Essen bekam. Ein Fensterlein ging zur Kirche, damit sie dem Gottesdienst beiwohnen konnte. Keine Heizung, keine Toilette.

Geboren wurde sie vermutlich um 850 in Konstanz. Priesterin konnte sie nicht werden, und in ein Kloster eintreten ging auch nicht, denn Frauenklöster entstanden erst später. Also bezog Wiborada für vier Jahre eine Zelle, verbrachte die meiste Zeit aber beim Beten in der Kirche. Unter Bischof Salomon von Konstanz ließ sie sich endlich in eine Klause unweit von St. Gallen einschließen. In einem Heft zur Ausstellung Frauen im Galluskloster von 2009 in der Stiftsbibliothek heißt es:

Solche Klausen wie diejenige der Wiborada wurden nämlich — und darin bestand das Paradoxe des Reklusentums — nicht in der Einsamkeit errichtet, sondern eben an bewohnten Orten, bei Stadtmauern und -toren, bei Brücken oder bei Kirchen, Friedhöfen oder Kapellen und Leprositorien oder Spitälern.

Wiborada bekommt ein Geldgeschenk von der Reklusin Cilia angeboten - und lehnt ab. Später wird sie selbst Reklusin

Wiborada bekommt ein Geldgeschenk von der Reklusin Cilia angeboten – und lehnt ab. Später wird sie selbst Reklusin

Schon in einem manipogo-Beitrag über Eremiten konnten wir erfahren, dass diese durchaus nicht immer abgeschieden lebten; sie hatten viel Publikumsverkehr. Der Schauplatz wird uns in dem Ausstellungskatalog näher erläutert:

Das Fenster, das nach aussen ging, diente dazu, dass man sich bei der Reklusin Rat holen konnte, und das taten nicht nur einfache Leute, sondern auch die Äbte und Mönche des Gallusklosters sowie die Schüler der Klosterschule; man hat den Eindruck von einem ständigen Hin und Her zwischen dem Kloster und der Klause. Am Fensterchen war eine Schelle angebracht, mit der man die Klausnerin wohl rufen konnte, denn es war der Eingeschlossenen natürlich nicht möglich, ohne Hilfe von aussen auszukommen. Von diesem Fenster aus verteilte sie weiter die Lebensmittel, die sie und ihre Dienerinnen erübrigen konnten, an die Armen. Neben ihr hatte sich eine weitere Reklusin namens Rachild angesiedelt. …

Die Reklusorien fungierten nicht selten wie später die Mühlen und noch später die Zeitungskioske: hier erfuhr und wusste man (frau) einfach alles, und die Nachrichten wurden auch von einem Reklusorium zum anderen weitergegeben. Gerade weil diese Frauen sich von der Welt zurückgezogen und auf alles, auf Ehe und Nachkommenschaft, verzichtet hatten, gewannen sie großes Ansehen und es wurde ihnen nicht selten prophetische Gaben zugesprochen.

Im Jahr 925 träumte Wiborada, dass die Ungarn im folgenden Jahr einfallen würden. Der Abt des Klosters richtete sich danach und richtete eine Fluchtburg ein; Wiborada aber wollte bleiben, denn die ewige Seligkeit winkte, wenn man sie töten würde. Die Hunnen kamen, drangen durchs Dach ein und verwundeten sie am 1. Mai 926 mit Äxten tödlich am Kopf. Ihr Bruder Hitto kam zurück und fand den durch die Askese ausgemergelten Körper ohne Verwesung vor. Die Axthiebe waren nicht mehr zu sehen, und sogar ihre Füße, die durch die Kälte verunstaltet waren, schienen wieder geheilt. Wiborada wurde in ihrer Zelle begraben, und an diesem Ort ereigneten sich in der Folge viele Wunder.

 

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