Der gute Geist
Der »gute Geist« (gestern erschienen) sei für heute unser Stichwort. Ein zuverlässiger Diener ist ein guter Geist an unserer Seite, und manchmal hat auch eine Firma einen solchen. Den Ausdruck »der gute Geist« müssen wir näher beleuchten, und vielleicht können wir ihn dann gedanklich zu fassen kriegen, denn sonst sollte man ihn in Ruhe lassen, wie wir gleich hören.
Der Geist ist unsichtbar, nur im Mittelalter und auf dem Rummelplatz (siehe rechts) erhielt er Gestalt. Eigentlich ist manipogo ja eine Seite fürs Unsichtbare (das Monster Manipogo in Kanada hat nie jemand gesehen). Auch die größten Helfer wirken, als wären sie unsichtbar. Der beste Chef macht sich selbst überflüssig; Ärztinnen führen nur zur Heilung hin, ohne sich vorzudrängen, Journalisten sollten nur die Fakten wiedergeben und sich selbst raushalten — wie alle Medien und die Mediatoren. Der gute Geist der Firma arbeitet unermüdlich im Hintergrund, und wenn er da ist, weiß man: Alles geht gut.
Die Unterscheidung Geist/Seele ist schwierig, doch halten wir uns an Peter Novak und sagen: Der Geist ist frei schweifend und männlich, eher handelnd; die Seele isst dunkel, meditativ und eher weiblich. Die »Seele« eines Unternehmens, wenn wir einen Menschen meinen, ist einfach präsent und steht mit seinem Wesen für die Werte der Organisation en; der gute Geist tut etwas und erleichtert allen das Leben. Der »gute Geist« musste man sagen, um ihn vom bösen Geist, den bösen Geistern abzuheben, die das Volk gut kannte. Die neidischen Juden sagten auf die Reden Jesu: »Du hast einen bösen Geist.« (Joh. 8,16 ff)
Manchmal wird auch der Plural verwendet: »Er war von allen guten Geistern verlassen!« Ein Schweizer Theologe meinte einmal, statt Heiliger Geist müsse es die heiligen Geister heißen; im Hebräischen gebe es den bestimmten Artikel nicht, und so müsse man lesen ein heiliger Geist, wo doch viele im Alten Testament aufträten. Das Gedicht Die Heinzelmännchen von August Kopisch (1799-1853), das mir in meiner Jugend oft vorgelesen wurde, präsentiert uns (1836) einen ganzen Trupp guter Geister:
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul — man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich.
Da kamen bei Nacht
Eh man’s gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
UInd zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten.
Und eh‘ ein Faulpelz noch erwacht‘,
War all sein Tagewerk bereits gemacht.
Und so weiter. Die guten Geister. Der Mensch weiß nicht, wer ihm hilft, und da er wissenschaftlich denkt, will er eine Erklärung. Er untersucht es — und zerstört damit den Zauber, statt ihn wirken zu lassen. Im Märchen ist es natürlich eine Frau (des Schneiders Weib), die ihre Neugierde nicht behrrschen kann. Sie streut Erbsen in der Nacht, und die Heinzelmännchen poltern hinunter und kommen nie wieder. (Ihr Name hat sicher die Schöpfung die Mainzelmännchen inspiriert, die im Mainzer Zweiten Deutschen Fernsehen in die Werbung einleiten. Gibt’s die überhaupt noch?) Also:
O weh! nun sind sie alle fort
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muss nun alles selber tun!
Den guten Geist der Firma sollte man ebenfalls gewähren lassen und ihn nur nebenbei manchmal loben. Es gibt Mitarbeiter, die freudig arbeiten, die jedem alles abnehmen, die mit Freude hüpfen und traben und putzen und schaben. Leider gibt es da andere Mitarbeiter, die sich zurücklehnen, wenn der gute Geist im Dienst ist; er macht ja ohnehin alles, ich mach mal Pause. So fühlt sich der gute Geist bald verkannt und ausgenutzt, und er resigniert, wird vielleicht krank oder kriegt den Burnout, und schließlich macht er nur noch Dienst nach Vorschrift. Mit Geistern muss man achtsam umgehen.