Eurotrash

Zu meinem Geburtstag vor zwei Wochen, den ich dann, anders als Tadeusz Kantor, noch in der Welt erlebte, lud mich meine Schwester ins Freiburger Theater ein. Gegeben wurde Eurotrash nach dem gleichnamigen Roman von Christian Kracht (2021), dessen früher Roman Faserland 2017 auf manipogo besprochen worden war. In dem Zwei-Personen-Stück treten Margot Gödrös und Henry Meyer auf als Mutter und Sohn.

Die Mama lebt in Zürich, war mit dem erfolgreichen Vater von Christian Kracht verheiratet, der Axel Springer so gut assistierte, dass er es zu 8 Villen brachte. Die Mama hat 13 Millionen auf dem Konto, und 600.000 holt sie sich von der Bank, lässt einen Taxifahrer antreten und sich und den Sohn durch die Schweiz fahren. Das Geld will sie verschenken. Die Schweiz ist nichts als eine Geldmaschine mit hohen Bergen. Kracht tritt als Kracht auf, doch es ist ein Roman, keine Autobiografie, darum Fiktion mit realen Elementen.

Komisch, auch Stuckrad-Barre ist in seinem jüngsten Roman (Noch wach?) elitär unterwegs, paddelt im Pool von Hollywood mit Filmstars und geht spazieren mit BILD-Chefredakteuren. (Alles von Springer gesponsert?) Die Leute wollen vielleicht nur zu gern etwas über die besseren Leute lesen, über die Chefetagen, kann sein; dazu aber auch: Die beiden Autoren sind große Meister, sie haben ihren Erfolg verdient.

Henry Meyer als Kracht spricht gleich das Publikum an. Das ist schön, mit einbezogen zu werden, statt nur eine Handlung zu verfolgen. Der Schriftsteller hat seine Mama vernachlässigt, die »wohlstandsverwahrlost« mit Wodka und Tabletten in der Zürcher Innenstadt lebt. Nun will er das gutmachen und sie einladen zu einer Reise.

Sie fahren mit dem Taxi nach Saanen, wo Kracht 1966 geboren wurde, sie fahren mit einer Gondel hoch, um Enziane zu finden, und sie landen in Genf beim Grab von Jorge Luis Borges. Es gefällt mir natürlich, wenn es Anspielungen gibt — etwa auf einen Herrn, der in Montreux mit seiner Frau im Hotel lebte und die Mama angeblich 1962 eingeladen und dann lange geküsst hat; kann nur Vladimir Nabokov sein, weiß der Kenner.

 

Margot Gödrös (+ Henry Meyer)

Witzig auch, dass ein Mann in Saanen ihn als Autor erkennt. »Sind Sie nicht Kehlmann?« fragt er. Kracht sagt ja. Da ist eine Portion Selbstironie am Werk, denn mit Kehlmann will er vermutlich nichts zu tun haben. Ich habe nie eine Zeile von Kehlmann gelesen; die ORF schrieb von »kosmischem Kitsch«, an dem seine »Beschwörungen des Unerhörten entlang schrammen«. In einer Welt, die halt zuweilen Bestseller und Erfolgsautoren braucht, hat ihn der Journalismus wohl hochgeschrieben, aber das interessiert uns nur am Rande.

Hübsch jedenfalls, dass die Mama den Überblick behält. Sie lehnt sich mit Sonnenbrille zurück und äußert nur wenig, und wenn, ist es ätzend kritisch dem Sohn gegenüber. Wenn er nur schreiben könnte wie Marcel Beyer! — Wer ist nun das schon wieder? Ein Jahr älter als Kracht, in Schwaben geboren, ist er wohl auch einer der heutigen Autoren, die man als Nachfolger der Großen verorten möchte: schwierig, bedeutend, der Forschung verschrieben und immer am Schreiben auf angeblich höchstem Niveau.

Die Mama steht über den Dingen und hat immer gemacht, wozu sie Lust hatte. Der Sohn kommt da etwas humorlos rüber, als gierig ins Leere Monologisierender, als unbestechlich beobachtender Denker, auch er alles von außen und oben betrachtend, jedoch im Kokon seines kostbaren Ichs. Sie möchte nur dann und wann einen Schluck Wodka und auch nach Afrika, um das Geld zu verschenken. Also zum Flugplatz von Genf! Wir verraten nun nicht, ob sie in Nairobi landen, in Entebbe oder etwa in Winterthur. — Langanhaltender Beifall.

Das Bild aus dem Freiburger Theater ist von Laura Nickel. Danke. — Die Regie führte Peter Carp. Dramaturgie: Rüdiger Bering.

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