Du, dein Gehirn

Im Mai auf Mallorca las Giovanna am Strand das Buch The Brain von David Eagleman, eines 1971 geborenen Neurowissenschaftlers. The Brain: das Gehirn. Der Untertitel lautete: The Story of You. Also: deine Geschichte. So sind sie, die Neurologen. Du bist dein Gehirn, sagen sie. Mehr sei da nicht. Das Bewusstsein, ja, das erforschen wir noch, sagen sie auch noch, macht euch keine Sorgen.

Wenn die Synapsen oft genug geklickt haben, denken die Neurologen, entsteht automatisch Bewusstsein. Das ist die Umschreibung des Ausdrucks, das Bewusstsein sei »ein Epiphänomen des Gehirns«, aus diesem entstanden und nicht mehr lebensfähig nach dem Tod des Gehirns. Dass dem nicht so ist, zeigen uns einige Nahtod-Erfahrungen. Da waren Leute tatsächlich klinisch tot und konnten dennoch wiedergeben, was  im Operationssaal gesprochen wurde, und sie fühlten sich, herunterschauend auf ihren beschädigten Körper, ganz intakt und wie sie selbst. Menschen im künstlichen Koma liegen da bei ausgeschaltetem Gehirn und erleben dennoch Unglaubliches, ein Beitrag dazu kommt übermorgen. Sollte es nach Meinung der Neurologen nicht geben.

Eagleman übrigens spekuliert gegen Ende seines einfach geschriebenen Buches, wir könnten eines Tages vielleicht das Gehirn herunterladen, so dass es digital existieren würde. Dann könnten wir uns in virtuellen Welten bewegen, auch wenn die Frage offenbliebe, ob das noch unser Ich wäre. Damit gibt Eagleman ja zu, dass eine Existenz ohne die physische Anwesenheit des Gehirns theoretisch möglich wäre. Man müsste bloß 100 Supercomputer haben, um unser Wunderwerk Gehirn digital zu formulieren, und viele Forschergenerationen müssten ihre Lebenszeit dafür opfern. (Anmerkung: Das Bewusstsein schwebt nach dem Abschied vom Gehirn nicht einfach herum; es erhält für den Aufstieg einen neuen temporären Körper, der indessen feinstofflich ist, also nicht zu sehen und auch nicht zu messen oder zu wiegen.)

Absurd ist das schon, wenn man bedenkt, dass es das schon längst gibt! Seit 50 Jahren unternehmen ein paar begabte Menschen Astralreisen — sie verlassen ihren Körper und bewegen sich durch real existierende Welten und schrieben Bücher darüber. Ein paar Autoren und Reisenden: Robert Monroe, Bruce Moen, William Buhlman, Kurt Leland, Waldo Vieira und Jürgen Ziewe. Warum informieren sich Neurowissenschaftler nicht mal bei anderen Quellen? Unser Problem ist, dass alle in Hardware-Dimensionen denken. Astralreisen zu unternehmen kann angeblich jeder lernen, auch wenn ich bislang noch keinen Erfolg aufweisen kann (bis auf 30 Sekunden, nach der Lektüre des Buches »Less Incomplete« von Sandie Gustus). Im Schlaf unternehmen wir vermutlich auch Astralreisen und tun uns da um, wohin wir einstens gehen werden.

An anderer Stelle widerspricht Eagleman René Descartes, der ja einen Dualismus eingeführt hatte: das immaterielle Ich, das denkt (»ich denke, also bin ich«), und das ausgedehnte materielle Ding, unser Gehirn. Der Amerikaner meint jedoch, wenn das Gehirn defekt sei, klappe es mit dem Denken nicht mehr, also: kein Geist ohne Gehirn. Es gab aber immer Forscher, die damit nicht zufrieden waren wie etwa Sir John Eccles, der einen nicht-materiellen, vom Gehirn unabhängigen Geist in den Vordergrund rückte, doch die ignorierte man: Minderheitenmeinung.

Wenn das Gehirn das Bewusstsein und den Verstand (mind) überträgt, gibt es natürlich Probleme, wenn das Gehirn schwächelt. Das Fernsehgerät mag kaputt sein, doch ändert es nichts daran, dass das Programm weiterhin existiert. Eagleman sagt aber (2017 erschien das Buch), seine Disziplin sei noch jung, man werde das noch klären. Der Autor führt viele faszinierende Beispiele an, die zeigen, wie toll unser Gehirn ist. Es ist eine durchaus spannende Lektüre.

Zum Abschluss ein paar Zitate aus dem Buch von David Eagleman, die mich erfreuten. Er spricht etwa von den Spiegelneuronen: Wir fühlen, was andere fühlen, indem wir unwillkürlich deren Gesichtsausdruck nachahmen. Und Empathie ist uns eingebaut — doch ist sie tatsächlich die Sache einiger Hunderttausend Neuronen, die ähnlich angebracht sind? Es widerstrebt einem, sich als Maschine zu denken, die anderen Maschinen ähnelt.

Die Zitate:

Ob es um uns völlig Fremde geht oder aufgesetzte Charaktere, du erfährst ihre Agonie und ihre Ekstase. Du wirst rasch sie selbst, lebst ihr Leben und erfährst dich in ihren Höhepunkten. Wenn du einen anderen Menschen leiden siehst, kannst du dir gern sagen, dass das ihre Sache ist, nicht die deine — aber Neuronen tief in deinem Gehirn drin sehen es anders.

Du könntest annehmen, dass du dort endest, wo deine Haut endet, aber etwas in dir verwischt den Eindruck, so dass du nicht weiß, wo du endest und der andere anfängt. Deine Neuronen und diejenigen von allen anderen auf dem Planeten tauschen sich aus wie in einem grandiosen ewig sich verändernden Organismus. Was wir als wir bezeichnen ist nur ein Netzwerk in einem größeren Netzwerk … wir brauchen einander. 

Das klingt ja schön, wäre es nicht so materialistisch geprägt. Wie sollen diese Neuronen, die im Gehirn stecken, das (wie Eagleman selber schreibt) in der Dunkelheit des Kopfes vor sich hin arbeitet, sich mit den Neuronen anderer Gehirne austauschen und ein Netzwerk bilden können? Da muss doch etwas ihre Signale hinaustragen und sie verbinden: ein geisterhaftes Feld, eine unsichtbare Substanz. Wir können sie die Lebenskraft nennen, Liebe, die Energie der Schöpferquelle, die Seele. Ohne dies sind die Neuronen hilflos.

Gut ist auch noch ein weiterer Gedanke Eaglemans, von mir paraphrasiert:

Was brauchen wir Erinnerung? Wir erschaffen uns jeden Tag neu und sind das, was wir jetzt sind.

Und was wir sind, ist anscheinend in jenem »Feld« aufbewahrt, das wir sind und das aufsteigt nach dem Tod. Es ist nicht nur im Gehirn, das bloß Zwischenstation ist.

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