Das selbstspielende Akkordeon
Il Mondo del Paranormale arbeitet sich allmählich an die Gegenwart heran. Das Heft meiner römischen Freunde Giulio Caratelli und Maria Luisa Felici, das mir Anfang Juni zugesandt wurde, ist Nr. 3 vom Oktober 2023. Interessant ist der Beitrag über das Akkordeon von Daniel Dunglas Home, dem schottischen Medium, das einmal durch ein Fenster schwebte und wieder herein (das Medium; das Akkordeon spielte »nur« von selbst.).
Die beiden Römer haben auch den Artikel Il grande enigma della meravigliosa fisarmonica di Home verfasst (S. 15-19). Es geht also um »das große Rätsel der wunderbaren Akkordeons von Home«, Daniel Dunglas (1833-1886). Erwähnt wird nicht, wann genau diese Séancen stattfanden; sie sind jedenfalls bezeugt, und der Physiker und Chemiker Sir William Crookes (1832-1919) sorgte stets dafür, dass strenge Bedingungen herrschten, dass das Medium also kontrolliert wurde, und es ist ein seltener Glücksfall, dass Dunglas Home sogar bei schwacher Gasbeleuchtung »arbeiten« konnte. Normalerweise gehen Séancen in völliger Dunkelheit vor sich.
Das Medium hatte nicht viel mit Musik zu tun. Die Organisatoren der Séance kauften also ein Akkordeon, und da »Tasten« erwähnt werden, wird es eine Art Schifferklavier gewesen sein, wie meine Mutter eins hatte. Hans Albers spielte in dem berühmten Film Große Freiheit Nr. 7 auch Akkordeon, allerdings eins mit Knöpfen links und rechts: die einen für den Bass, die anderen für die Melodie. Am Ende des Artikels Tango mit El Piropo habe ich die Mutti erwähnt, wie es ihr im Jahr 2016 noch gelang, ein paar Töne zu produzieren.
Das für den Tango wichtige Bandoneon (erfunden von Ludwig Band) ist auch beidseitig mit Knöpfen ausgestattet; unten spielt es Almut Wellmann mit der Band El Piropo, die Anfang Mai zur Saisoneröffnung am Badeweiher von Sulzburg auftrat. (Ich schenkte ihr meine Biografie von Astor Piazzolla, die mich zu einem Geburtstagsbeitrag inspiriert hatte.)
In einer Sitzung hielt das Medium das Akkordeon mit zwei Fingern einer Hand. Vielleicht stand es auf dem Tisch, denn mit zwei Fingern ein Akkordeon hochzuheben kann nicht gelingen. Die andere Hand Homes ruhte auf der Tischplatte. Und das Instrument zog sich auseinander und wieder zusammen, wie das normalerweise ein Musiker tut, und die Tasten wurden gedrückt, als täten das unsichtbare Finger. Eine Melodie erklang.
Alles, was bei Séancen an Unerhörtem geschieht, ist der Gabe des Mediums zu danken, das Energie absondert (oder einen Stoff, das Ektoplasma, das Schrenck-Notzing genauer untersuchte), die von den Geisterfreunden genutzt werden kann. Auch den Teilnehmern wird Energie abgezogen, weshalb sich diese hinterher nicht selten etwas matt fühlen. Von Psychokinese sollte man hier nicht reden. Hierbei geht es um kurzzeitige Beeinflussung von Materie durch den (menschlichen) Geist, aber komplexe Handlungen sind nicht möglich. (Rechts: Hans Albers als Liliom.)
In einer anderen Sitzung hielt einer der Teilnehmer mit einer Hand das Instrument, das sich an diesen gewandt hatte, als werde es von ihm angezogen. Wieder fehlt die genaue Beschreibung: Schwebte das Instrument durch die Luft zu dem Teilnehmer hin? In anderen Situationen sahen die Beisitzer Hände, die die Tasten bewegten: materialisierte Hände ohne dazugehörende Arme.
Crookes berichtete:
Einmal sagte mir Home, ich möge das Akkordeon beobachten, während es im Halbdunkel unter dem Tisch spielte; ich sah, wie es von einer zarten weiblichen Hand gehalten wurde, und die Tasten hoben und senkten sich, als würden sie von einer anderen unsichtbaren Hand gespielt, und die Hand, die ich sah, wirkte so lebensecht, dass ich sie für die meiner Schwägerin hielt, die jedoch, wie mir die anderen versicherten, beide Hände sichtbar auf die Tischplatte gelegt hatte.
Zuweilen sahen die Teilnehmer der Séance rätselhafte Gestalten, die sich an dem Akkordeon zu schaffen machten: nebelhafte oder halbtransparente Figuren, die auch etwas spielten, was irgendwie schwer und traurig klang. Das Akkordeon konnte auch kommunizieren. Wenn einer der Teilnehmer das Alphabet herzusagen begann, gab ein Ton des Instruments an, welcher Buchstabe gemeint war, und so konnten ganze Sätze übertragen werden (deren Inhalt man nur zu gern wüsste!).
Und das Akkordeon war in der Lage, sich hin- und herzubewegen und tatsächlich durch die Luft zu schweben.
Was war es für Musik, die gespielt wurde? Die Teilnehmer nannten sie schön, köstlich, harmonisch, perfekt, feierlich und ausdrucksstark.
Als brave Parapsychologen handeln Caratelli und Felici auch ab, ob Home und/oder Crookes irgendwie getrickst haben könnten und kommen zu dem Schluss: unwahrscheinlich.