Der Postmann
Spechen wir über den Film Il Postino von 1994, den der Drehbuchautor Antonio Skármeta bereits 1983 unter dem Titel seines Buches verfilmte, Brennende Geduld (Ardente oaviencia). Darüber schreiben wir zum Gedenken an Christine Supersaxo, weil sie den Film mochte. Il Postino ist auch ein Fahrradfilm, weil früher die Postboten Rad fuhren.
Michael Radford drehte den Film, Philippe Noiret (1930-2006) spielte den Dichter Pablo Neruda, Massimo Troisi (1953-1994) den Postboten Mario Ruoppolo. Der schwer herzkranke Komiker und Schauspieler Troisi beendete den Film noch, starb aber 12 Stunden nach den Dreharbeiten in Ostia. Er hatte viel mit dem ebenfalls herzkranken neapolitanischen Sänger Pino Daniele (1955-2015) zusammengearbeitet. Sie gehen von uns, die Akteure, aber ihre Werke bleiben, und wir denken an sie. Auch an Christine, die Künstlerin.
Der Chilene Skármeta verehrte natürlich Neruda, den Mann seines Landes. Nach dem Militärputsch 1973 (und dem Tod des Dichters, am 23. September 1973) verließ auch Skármeta sein Land und kam nach Deutschland. Da er auch viel in Italien war, verlegte er die Handlung auf eine italienische Insel, wo der Dichter Exil gesucht hat. Der junge Postbote schwingt sich auf sein klappriges Rad und fährt zum Haus des Poeten. Sie fangen plötzlich an, sich mit Metaphern zu duellieren, nachdem Ruoppolo gelernt hat, was eine Metapher ist. Pablo Neruda erhält viele Liebesbriefe, und durch beharrliche Schulung schafft es der Postbote, das Herz seiner umworbenen Liebsten (Maria Grazia Cucinotta) zu gewinnen.
Wäre das heute noch hilfreich, wenn man das Herz einer Lady gewinnen wollte? Die Poesie, wenig alltagstauglich, hat ihre Bedeutung verloren. Doch gut und klangvoll reden hat nie geschadet, und ein wenig Philosophie und Lebenskunst kommen allemal gut bei Frauen an. Mir ist zielgerichtetes Vorgehen in Gefühlsdingen zuwider, aber der Film bricht wahrlich eine Lanze für die Poesie und die Poesie der Liebe. Auch in einer kühlen Verstandeswelt wie der unseren bleiben Emotionen, bleibt die Liebe ein Rätsel.
Wenden wir uns lieber dem Fahrrad zu. Ich suchte Bilder und fand einen Artikel von La Stampa aus Turin mit dem Titel Aber wohin fährt (heute) der Postbote mit dem Fahrrad? Der Artikel erschien erst vor einem Monat (am 22. Juli) und sei eigentlich kostenpflichtig, doch heute täte die Zeitung uns den Artikel schenken. Grazie mille!
Verfrüht. Ich wollte ihn lesen und erfuhr immerhin, dass es nur noch 280 radelnde Postboten in Italien gibt. Zur Lektüre muss man jedoch die Zeitung abonnieren, wie war das mit dem Geschenk? Das ist eben Italien, faule Nummern zuhauf. Wir brauchen ihn nicht, wir schreiben ihn selber. Heute werden viele Pakete ausgeliefert, für die braucht man Lieferwagen, und Briefe schreibt kaum mehr jemand. In der Schweiz (bei Zürich) sehe ich viele Postboten mit dem Rad, und die haben nicht mal einen Motor.
Die Italiener fragten anscheinend, warum jemand trotzdem Postbote sein will, und die sagten, sie seien so schön im Kontakt mit der Natur und den Menschen. Klingt gut, ist aber auch Gesülze. Von Natur reden heute alle. Die Presse schiebt uns ihre eigene Poesie unter, doch wir lesen lieber die Gedichte von Neruda. Das ist echte Poesie, und bei manipogo findet ihr einiges von ihm:
Die Höhen von Machu Picchu — Cusco, Hauptstadt der Inkas — Rapa Nui — Liebesgedichte aus Chile.