Meine Worte sind keine Worte
Nein, es geht nicht um meine Worte, sondern der Titel ist einem kleinen Referat von Bhagwan Shree Rajneesh (1931-1990) entnommen, der sich kurz vor Ende seines Lebens Osho nennen ließ. 1983 kam das Buch Die Alchemie der Verwandlung heraus, gestaltet und herausgegeben von Swami Deva Amiya, dem Sannyassin-Namen von Rolf Hannes, unserem Freiburger Künstler, der heute 88 wird. (Oder war’s vorgestern?)
Aus diesem Buch stammt der Auszug, dem man etwas vorausschicken muss. Der Bhagwan erzähle von einem chassidischen Meister, der immer ein Buch bei sich trug, in das niemand hineinschauen durfte. Nach seinem Tod blickte man hinein. Das Buch war leer bis auf ein Zitat auf der ersten Seite. Es lautete:
Wenn du unterscheiden kannst zwischen Behälter und Inhalt, bist du weise geworden.
Nun der Bhagwan. Rolf hat den Text schön übersichtlich gestaltet, dass er wie ein langes Gedicht wirkt. Man könne seine Wort vielleicht auch Poesie nennen, sagt er (der Bhagwan) weiter unten. Hinein!
Wenn du nur die Verpackung, die Worte,
erfährst, wirst du gelangweilt.
Wenn du aber dem Inhalt lauschst,
wirst du hineingehoben in die Ekstase.
Ich spreche nicht um den Sprechens willen.
Ich habe keine Botschaft, die durch Worte ausgedrückt werden kann.
Aber es gibt keinen anderen Weg, es zu vermitteln.
Ich versuche nicht, etwas zu sagen.
Ich versuche, etwas zu zeigen.
Dies sind keine Worte.
Diese Worte tragen mein Schweigen in sich.
Diese Worte sind nur der Behälter.
Kümmere dich nicht um die Behälter
Nimm den Gehalt wahr.
Diese Worte sind lebendig.
Sie haben den Pulsschlag meines Herzens.
Ich bringe sie euch als Geschenk.
Sie sind keine Lehren.
Höchstens könnt ihr sie Poesie nennen.
Höchstens könnt ihr mich einen guten Geschichtenerzähler nennen.
Das ist alles.
Ò Ø
Es ist aber verdammt schwierig, von den Worten abzusehen. Alle, die so herumreden, erwarten sich eine halbwegs befriedigende Antwort auf ihre Sätze. Dazu haben sie ein Recht. Doch die Worte sind Ausdruck von Gedanken, die sich im Inneren auch in der Form von Worten bilden; das heißt, Gedanken und Gefühle werden sogleich in Worte gegossen (weshalb, wenn das Vokabular verarmt, auch Nuancen von Gefühlen/Gedanken nicht mehr ausgesagt werden können und auch das ausgesprochene Gefühl verarmt herauskommt). Leute reden, weil sie eine Funktion haben; sie reden, um etwas zu sagen; sie sagen etwas und meinen etwas dahinter, einen Subtext (was KI niemals schaffen wird); oder sie reden endlos von sich und meinen eigentlich nur: ICH!
Es ist schwierig, zwischen den Worten zu lesen, die auf dem Bildschirm stehen; zwischen den Worten, die gesprochen werden, zu lesen, ist fast unmöglich. Man nimmt es auf und muss reagieren, und erst später begreift man vielleicht, was dahintersteckte. Mit Worten signalisieren wir uns, dass wir uns ernst nehmen und gernhaben, da muss nicht groß etwas ausgetauscht werden. Wir können aber versuchen, einmal die Worte symbolisch zu nehmen, und Ernst Cassirer hat die Sprache ja zu den symbolischen Formen gezählt wie die Kunst und die Religion.
Alle tun sich groß mit Information, doch vieles davon ist nur die Botschaft: Ich bin da! Wir arbeiten für euch! Dieser ganze Info-Wahnsinn ist nur Ausdruck einer Gesellschaft, in der alle ihre Existenzberechtigung beweisen möchten. Das meiste braucht man nicht.
Die Illustrationen sind natürlich von Rolf Hannes.
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