Shivas Auftritt

Da vor mir lag lange ein beschriebenes Papier. Von einer Schreibmaschine beschrieben. Stammte das von mir? Es kam mir eher vor, als hätte vor 30 Jahren meine Mutter das getan, es waren die Typen ihrer Maschine. Ich frage mich, was sie sich gedacht hat, als sie das abtippte. Doch von ihrem Sohn war sie das gewohnt. Der las so seltsame Dinge.

Der Auszug war aus einem Buch, das David Bohm (1917-1992) mit geschrieben hat, der berühmte theoretische Physiker, ein Amerikaner aus Pennsylvania. Er arbeitete gern mit dem Dialog, bekannt geworden ist ein Buch mit Krishnamurti. Die Zeilen auf dem Bild kann man schwer lesen; jedenfalls erzählt ein Psychotherapeut, seine Patientin habe ihn gebeten, zusammen mit ihr zu meditieren; und dann saß plötzlich eine Gestalt auf seinem Schreibtisch, die »wie ein Soldat aussah«.

 

Ich schreibe es nochmal ab:

Die Gestalt ging vorwärts und hatte ein Kissen in der Hand. Sie ging auf die Patientin zu und legte ihr das Kissen zu Füßen. Die Gestalt bewegte sich zurück, kam auf mich zu und legte ein Kissen zu meinen Füßen. Meine Augen waren geschlossen, und ich verstand plötzlich, dass dies eine Antwort aus meinem Inneren war, das mir die Zustimmung zur Meditation signalisierte. Ich erkannte die Figur als eine weniger bedeutende Inkarnation des Gottes Shiva. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was er tat oder warum er auftauchte. 
Am nächsten Tag, einem Samstag, ging ich in die Bibliothek und schlug alles über Shiva nach, was ich finden konnte. Seine Aufgabe ist, die richtige Beziehung zwischen spiritueller und weltlicher Ordnung wiederherzustellen …

∇ Ò ∇

Das kann man so sehen, muss es aber nicht. Ich sehe es anders, und manipogo steht immer für den anderen Blickpunkt; nicht aus Trotz (trotzig bin ich manchmal auch), sondern aus Überzeugung. Es gibt immer eine andere Perspektive.

Das Problem oben ist, dass der Therapeut zu tief drinsteckte in dieser Geschichte. Er war besorgt, weil er durch die Meditation einen seiner Grundsätrze verletzt hatte. Die Erscheinung deutete er positiv: Sie hieß die Meditation gut. — Wir wissen ja von Brahma, dem Schöpfer, und von Vishnu, dem Bewahrer, und über den dritten, Shiva, heißt es (bei Wikipedia):

Außerhalb dieser Trinität verkörpert er Schöpfung und Neubeginn ebenso wie Erhaltung und Zerstörung.

Shiva ist eigentlich reglos; seine Energie, ohne die er nichts kann, ist Shakti. Und Shakti wird auch Shivas Gefährtin genannt, die schwarze Göttin Kali, die gleichfalls für Zerstörung und Erneuerung steht. Auf manchen Bildern tanzt sie auf dem reglosen Shiva. (Männer sind oft passiv.) Wir befinden uns derzeit im Kali-Yuga, an dessen Ende laut Hinduismus die Erde untergehen und neu erschaffen werden wird. Nur noch ein Viertel der Wahrheit ist derzeit übrig. Doch dauert das Kali-Yuga 4,32 Millionen Jahre, bis zum Ende kann es noch dauern.

Und Shiva wird oft durch den Lingam dargestellt, und die Vereinigung von Brahman und Atman (Göttlichem und Weltlichen) wäre die Vereinigung zwischen Lingam (Penis) und Yoni (Vagina).

In der Therapie kann eine Menge an Unvorhergesehenem geschehen. Etwas kann zerstört, etwas Anderes neu aufgebaut werden. Und die Beziehung zwischen (meist) männlichem Therapeuten und Klientin trägt auch erotische Untertöne, Vorsicht ist geboten. Die Zerstörung ist ein gutes Stichwort, sie leitet zu einer anderen Geschichte über  … Sie folgt morgen.

Verwandte Beiträge:

Die Große MutterDie schwarze Mutter

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.