Die Große Mutter
Ich möchte zum heutigen Geburtstag meiner Mutter (es wäre ihr 95.) einen passenden Artikel schreiben und verfiel auf den Hinduismus; aber ich sehe, dass ich, um alles zu verstehen, Monate des Studiums brauchen würde. Darum nur ein kurzer Abriss mit einer weiblichen Gottesvorstellung: Was ich davon verstanden zu haben meine.
Die Tantras sind anscheinend das Schriftgut, auf das der Hinduismus basiert, von dem seinerseits der Buddhisus abgeleitet wurde. Es gibt viele Schulen und Sekten, doch wir können uns darauf einigen, dass Brahman die Kraft hinter allem ist, Shiva der Zerstörer und Erneuerer, Vishnu der Bewahrer. Im Grunde sind alle Götter Manifestationen des Einen. In der Einführung zum Mahanirvana Tantra, dem Tantra der Großen Befreiung, schreibt Arthur Avalon (eigentlich Sir John George Woodroffe, 1865-1936) über eine Spielart des Hinduismus, die die Devi, die Göttin, als Kosmische Mutter verehrt. Bei ihnen ist Devi Brahman.
Die Formen der Mutter des Universums sind dreifaltig. Da haben wir zunächst die Höchste (para) Form, über die, wie das Vishnu-yamala sagt, niemand etwas weiß. Dann gibt es ihre feinstoffliche (sukshma) Form, die aus mantra besteht. Doch da der Geist nichts mit etwas anfangen kann, das formlos ist, erscheint Sie als Subjekt der Verehrung und Kontemplation in ihrer dritten, der physischen (sthula) Form, mit Händen und Füßen … Devi, die als Prakriti (Natur) die Quelle von Brahma, Vushnu und Mahesh-vara ist, hat männliche und weibliche Formen. Doch meist wird sie in ihrer weiblichen Form verehrt. Obschon sie in allen Dingen existiert, sind in einem gewissen Sinn alle weiblichen Wesen Teile von ihr. Die Große Mutter, die in der Form aller Tantras und Yantras existiert, ist ein »Schatzhaus der Schönheit«. … Als Mahadevi lebt sie in allen Formen fort, als Sarasvati, Lakshmi, Durga, Tripura-sundari, Anna-purna und all den Devis (Göttinnen), die »avatara« von Brahman sind.
Alle sind sie Erscheinungsformen von Brahman, der als Atman in jedem Einzelwesen anwesend ist. Die Devi (Göttin) ist also Er und doch sie selbst, und wir haben erfahren, dass sie in ihrer physischen Form angebetet wird.
Gott ist die unendliche Schöpferkraft und als solche unfassbar und fern, wenngleich auch in uns (Das Himmelreich ist in euch, sagte Jesus Christus). In der Kabbala ist diese Kraft Ain Soph hinter den Schleiern, das Nichts, davon abgeleitet Ain Soph ‚Aur, das unverkörperte Licht, und erst Kether, an der Spitze der Sephiroth, ist eine halbwegs fassbare Manifestation.
Um Ihn oder Sie dem Menschen näherzubringen, gaben Ihm (oder Ihr) die Propheten im frühen Christentum männliche Züge. Es wäre auch anders denkbar, und da kann ich einmal manipogo zitieren:
Rosemary Thornton fühlte sich verstanden und geliebt als die, die sie ist. Sie hält es für angebracht, Gott mit dem Mütterlichen zu identifizieren und ihm einen weiblichen Namen zu geben, denn Mütter liebten ihre Kinder bedingungslos. Ihr Vater hatte nur Bilder seiner drei Söhne auf dem Schreibtisch, und als seine Tochter fragte, wo ihr Bild sein, knurrte er: »Du musst es dir erst verdienen.« So sind Väter.
Der Herr im Alten Testament stellt andauernd Bedingungen und hat Regeln, an die sich die Gläubigen halten müssen, um akzeptiert zu werden. Es ist ein strenger, rächender Gott, und da hat der Mensch ihm eben seine männlichen Züge aufgeprägt und das mit der Wendung rechtfertigt, Er habe uns nach Seinem Bildnis erschaffen. In Wirklichkeit war es umgekehrt: Wir haben Gott nach unserem Bildnis erschaffen. Im Neuen Testament tritt er gar nicht in Erscheinung. Überhaupt: Die Hölle, in der die Sünder auf ewig braten sollen, findet man in der Bibel auch kaum, nur in einem Satz: Offenbarung 20,10. Die Hölle für die Ewigkeit ist eine Erfindung der Kirchenväter.
Es sei noch erwähnt, dass auf Hebräisch (es wurde öfter erwähnt) Elohim (Bereshit bara Elohim … so beginnt die Bibel) ein Mehrzahlwort ist und weder männlich noch weiblich oder beides. Die Menschen, die eine Nahtod-Erfahrung machten, fühlen sich nur vom Licht durchdrungen, das sie bedingungslos liebt. Muss dieses Licht ein Geschlecht haben? Es ist da und unendlich liebend.
Noch ein Gedanke dazu: Im Hinduismus haben wir Shiva, den Reglosen, und Shakti, seine Energie. Beide gehören zusammen. Shiva ist das Potenzial, Shakti das, was handelt. Auch hier gibt es eine Parallele zum Christentum. Nicht Gott selbst, sondern sein Geist schwebte über den Wassern. Gottes Geist (der Heilige Geist oder viele, die heiligen Geister) ist seine Kraft, seine Energie: wie Shakti. Auch die Energie ist weder männlich noch weiblich.
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