Cinco de la tarde
Samira Makhmalbaf ist die Tochter von Mohsen, diesem bedeutenden iranischen Filmregisseur. 2003 hat sie den Film Um fünf Uhr nachmittags gedreht, und sie war gerade 22 Jahre alt. Der Film spielt in Afghanistan, und der Titel bezieht sich auf ein Gedicht von Federico García Lorca mit dem Refrain A las cinco de la tarde. Es geht aber nicht um den Stierkampf, sondern um ein Mädchen und eine Phase ihres Lebens.
1996 hatten die Taliban Afghanistan erobert, doch 2001 kamen die Amerikaner und vertrieben sie. Das bittterarme Land hatte nun 20 Jahre mit Amerikanern und anderen Truppen vor sich, und Samiras Film war der erste nach der Taliban-Vertreibung. Bis sie 2021 wieder kamen. Sie taten schön, beschränkten dann aber das Leben der Frauen und Mädchen und schlossen sie sogar von Bildung aus. 70 Prozent der Bevölkerung leben in großer Armut. Und unter den Taliban leben zu müssen, ist eine weitere Strafe.
Doch damals, 2003, gab es Hoffnung. Das Mädchen Nogreh (Agheleh Rezaie) geht zur Schule. Sie muss immer Wasser für das Pferd und den Vater holen, der ohne Unterlass jammert: »Gott, vergib mir!« Die Welt sei profan geworden, jammert der Alte mit seinem weißen Bart: unverschleierte Frauen unterwegs! Sie leben in den Ruinen einer Stadt. Nogreh sagt, sie wolle gern Präsidentin werden. Ihr Vorbild ist Benazir Bhutto, die in Pakistan zwei Mal Ministerpräsidentin war, bevor sie 2008 (5 Jahre nach dem Film) vor den Wahlen ermordet wurde. – Immerhin kam in Afghanistan eine Frau zu höheren Ehren. Kubra Nurzai (1932-1986) war von 1965 bis 1969 Familienministerin.
Nogreh lernt einen netten jungen Mann kennen, einen Poeten, der sie mitnimmt zum Fotografen, damit sie Bilder machen für die Präsidentenwahl. Dorthin fahren sie auf dem Rad, sie auf dem Gepäckträger. Es gibt weite Flächen, kahle Räume und viel Himmel, außerdem ist es ein ganz langsamer Film. Flüchtlinge treffen ein und vertreiben die kleine Familie aus ihrer Bleibe, die dann in die Wüste zieht. Die Schwiegertochter hat ein kleines Kind, und der Alte bringt es nicht fertig, ihr zu sagen, dass ihr Mann, auf den sie wartet (sein Sohn), auf eine Mine getreten und gestorben ist.
Der Poet hat für Nogreh ein Gedicht geschrieben, das García Lorcas Refrain aufnimmt. Er hängt ihre Bilder auf. Sie würde ihn, einmal Präsidentin, zu ihrem Fahrer machen, sagt sie lächelnd; oder er könne Präsident sein und sie seine Fahrerin? Das bleiben Gedankenspiele, man ist streng religiös, die Nachbarn könnten quatschen, und dann verschwindet Nogreh ohnehin in der Wüste. Das ist ähnlich wie in Flug von Drachen: Der Lehrer und die attraktive Kollegin verlieren sich aus den Augen. Sie kommen nicht zusammen.
Samira Makhmalbaf erhielt für ihre Filme viele internationale Preise, so auch 2003 den Jury-Preis von Cannes für diesen Film. Sie setzt sich sehr für Frauenrechte ein und schilderte, wie schwierig es sei, im Iran als Frau Filme zu drehen. Leider erfahren wir bei Wikipedia in der englischen und deutschen Version nicht, was sie nach 2008 gemacht hat. Ihr Vater Mohsen Makhmalbaf ist heute 67 Jahre alt. Er lebt seit 2009 in Paris und setzt sich für afghanische Flüchtlinge ein wie in seinem Film Bicycleran. Von ihm sind neuere Filme genannt, der letzte von 2019.
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