So Gott will, inshallah
Ich komme wieder auf Rachel Naomi Remen zurück. Ich schlug in ihrem Buch Aus Liebe zum Leben eine Seite auf und landete bei der Geschichte Versprechungen, Versprechungen. Sie dachte an ihren Großvater, der jedem in der Zukunft anberaumten Treffen die Worte voranschickte So Gott will.
Eineinhalb Seiten ist die Geschichte nur lang, und sie beginnt so:
Es ist möglich, sich mit der Ungewissheit anzufreunden, sich und andere an die fließende, sich stetig verändernde Natur der Dinge zu erinnern.
Die Philosophen nennen diese Ungewissheit Kontingenz. (Dieses Wort will mir einfach nicht einfallen; auch dieses Mal musste ich das Buch »Spektrum der Zuversicht« aus dem Regal holen, das den Untertitel trägt »Zur Kontingenzbewältigung im politischen Denken der Schottischen Aufklärung«. Da war’s.) Diese ganze Gesellschaft trachtet danach, zu funktionieren trotz der Gefahr eines menschlichen Versagens, eines Unglücks der Natur, eines Ausfalls der Systeme. Sie entwickelt Zuversicht, doch völlige Unangefochtenheit wird nie zu erzielen sein, das Leben ist zu komplex und wird immer komplexer.
Frau Remen erläutert uns:
Wie viele orthodoxe Juden machte man Großvater nie eine Veränderung oder sprach von irgendeinem Ereignis in der Zukunft, ohne die Worte hinzuzufügen: »So Gott will.« … Gott könnte es immerhin vorziehen, der Welt irgendwann zwischen jetzt und der Hühnersuppe ein Ende zu machen. Es lag nie so etwas wie Angst in seiner Stimme, wenn er das sagte, er erinnerte sich und seine Umgebung einfach an die Natur der Dinge.
Und am Ende des Beitrags erinnert sie sich selber daran und an den Großvater, wenn sie Termine einträgt, die in drei Jahren stattfinden werden. Viel beschäftigte Menschen haben so einen Kalender. Und bei jedem Termin muss man wissen, dass man ihn vielleicht nicht einhalten kann, weil man diesen Planeten verlassen hat. Immer nach 6 Monaten findet bei mir eine Routine-Zahnkontrolle statt. Das kam mir unheimlich vor, doch dann macht man die Erfahrung, dass man immer noch dabei ist, dass das Leben verlässlich ist; doch eine Garantie dafür gibt es einfach nicht.
Juden und Moslems sind sich in dieser Erinnerung an die Vergänglichkeit und an Gott ähnlich. Mashallah! ruft der Araber aus, wenn er etwas bewundernd kommentiert. Das ist die Zusammenfügung von Ma shaa Allah, was hat nicht Gott gewollt! Inshallah wäre das Pendant zu So Gott will, in shaa Allah (swt), wenn Gott will. Vermutlich hört man das in arabischen Ländern oft. Und Hasha lillahi bedeutet: Dass Gott es verhüten möge!
Maha, die auf Youtube den palästinensischen Dialekt vertritt, sagte, inshallah bedeute: Hoffen wir es (oder hoffen wir es nicht), und wenn ein Mädchen von einem Mann zu einem Kaffee eingeladen werde und keine Lust darauf (und auf den Mann) habe, werde sie zurückweichen und sagen: Inshallah. Das heißt dann: nein.
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