Witwe Tsching, Seeräuberin
Jorge Luis Borges stellt in seiner Weltchronik der Ruchlosigkeit von 1954 eine erfolgreiche Seeräuberin vor, die Witwe Tsching. Sie war eine Korsarin und verstand es, die »viehischen Mannschaften« zu regieren und sie Schiffe plündern und Dörfer verwüsten zu lassen. Sie hatte sogar Vorläuferinnen!
Eine war Mary Read, die laut Borges
einmal erklärte, dass der Piratenberuf nicht für jedermann tauge und dass man, um ihn würdig auszuüben, ein beherzter Mann sein müsse – wie sie. … Um das Jahr 1720 machte ein spanischer Galgen der riskanten Laufbahn Mary Reads ein Ende.
Ihre Waffengefährtin Anne Bonney, ein »prachtvolles Weib aus Irland«, war denn auch ihre Gefährtin am Galgen.
Admiral Tsching leitete ein 1797 von Aktionären (?) gegründetes Piratengeschwader, und als er vergiftet wurde, übernahm seine Witwe den Job.
Sie war eine sehnige Frau mit schläfrigen Augen und schadhaftem Lächeln. Ihr schwarzgefärbtes Haar hatte mehr Glanz als ihre Augen.

Das alte Piratenschiff Old Pro Golf in Ocean City, Maryland, fotografiert von John Margolies. Dank an die Library of Congress, Wash. D. C.
Die Piratenflotte bestand aus sechs Geschwadern. Es waren insgesamt 600 Schiffe und 40.000 Piraten. Das Reglement der Witwe war streng. Unter anderem verfügte sie:
Verkehr mit aus Dörfern verschleppter Frauen ist an Bord verboten; er soll sich auf die Schenke beschränken, jedoch nie ohne Erlaubnis des Steuermanns. Der Verstoß gegen diese Anordnung ist der Tod.
Kia-King, der chinesische Kaiser, erließ ein kaiserliches Edikt und schickte seine Schiffe aus.
An tausend Schiffe kämpften von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. … Die Streitmacht des Reichs wurde aufgerieben.
Also verbrannten die Piraten weiter Dörfer, setzten Männer und Frauen fest, und letztere wurden verkauft. Dann erschienen plötzlich luftig schwebende Drachen, immer mehr.
Die Witwe Tsching, auch die »Füchsin« genannt, sah Unheil und ergab sich dem kaiserlichen Kommandanten. Ihre letzten Jahre soll sie dem Opiumhandel gewidmet haben, denn ihr wurde verziehen. Es hieß:
Von jenem Tag an … kamen die Barken wieder zu ihrem Frieden. Die vier Meere und die zahllosen Flüsse waren wieder sichere und glückhafte Wege.
Die Bauern konnten die Schwerter verkaufen und Ochsen dafür einhandeln, um ihre Äcker zu bestellen. Sie brachten Opfer dar, sprachen huldigende Gebete auf den Gipfeln der Berge und hatten am Tag singend ihre Lust hinter dem Wandschirm.
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