Soldaten auf Urlaub

Für Halleween habe ich ein Gedicht von Peter Huchel (1903-1981) gefunden, der seine letzten Jahre hier in der Nähe, in Staufen im Breisgau, verbracht hat. Man sollte Gedichtbände wirklich ganz lesen, nicht nur die paar Lieblingsgedichte immer wieder. Hier hat der Meister seiner Phantasie freien Lauf gelassen; in Mexiko und Südamerika haben die Toten ja auch heute Nacht Ausgang. Es ist Halloween!

Soldatenfriedhof 

Die Luft ist brüchig.
Fünftausend Kreuze
In Reih und Glied,
Streng ausgerichtet
Auf Vordermann. 

Nach dem Abendappell 
Gehen sie in die Stadt.
Sie bevölkern Ruinen 
Und schwarze Brücken,
Werfen Laub in die Grachten. 

Sie besuchen den Dom 
Und verdunkeln den Heiland.
Aber es glimmen die silbern-
Beschlagenen Ecken des Messbuchs. 
Und das Stigma der Abendröte
Brennt auf den Dächern.

Als Fensterschatten 
Lehnen sie an der Wand der Bar.
Sie hauchen Eis in die Gläser.
Sie blicken aus Gitarren
Den Frauen nach.

Kurz vor Mitternacht
Hallt gräberweit
Des Todes Clairon,
Das trostlose Trommeln,
Die große Retraite,
Der Zapfenstreich. 

In erster Helle
Stehen sie wieder 
Starr im Geviert.
Fünftausend Kreuze, 
Streng ausgerichtet 
Auf Vordermann. 

Clairon = Signalhorn, eine Art gewundene Trompete.

Θ ø Ø

Vor 3 Tagen sahen wir einen bayerischen Film, in dem es um den Tod geht. Man wird gesagt haben: »Macht für Halloween einen lustigen Film, in dem der Tod vorkommt!« Heraus kam Zweigstelle, ein fades Machwerk um 4 junge Leute, die bei einem Autounfall sterben und in ein bürokratisches Jenseits kommen, das einem Finanzamt vor 50 Jahren gleicht. Das sollte witzig sein, war es aber nicht.

Einer der vier wird streng befragt, was er geglaubt habe; wer nichts glaubte, muss ins Nichts, das jedoch erst kaputt ist und dann wieder vergessen wird, doch am Ende fährt eine junge Frau mit dem Sessellift hinaus ins Weiß, auch ins Nichts, über das man indessen nichts erfährt. – Das zeigt nur die Angst des modernen Menschen vor dem Nichts nach dem Tod. Das war eigentlich die Aussage des Films: Es gibt unsere Welt und als Endstation das Nichts. Der abgestandene Klamauk ging ins Leere, der ganze Film war ein Nichts. Die Chance, etwas Mut zu machen, wurde verspielt.

 

 

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