Flugverkehr (179): Eichendorffs Flügelross
Joseph von Eichendorff, der von 1788 bisa 1857 lebte, war fast 30 Jahre in preußischen Behörden hoher Beamter. Nebenher schrieb er seine Gedichte über Wälder, übers Reisen und auch übers Fliegen; so verarbeitete er seinen Freiheitsdrang, und überhaupt regierte im Land damals die Romantik, der sich Eichendorff auch hingab. Ein Aspekt seiner Flüge wurde hier noch nicht behandelt: das Flügelross.
Einmal hat manipogo den Pegasus vorgestellt, das geflügelte Pferd, das auch stellvertretend für den Dichter stand. Pegasus hilft Bellerophon, das Ungeheuer Schimäre umzubringen, und dann entstehen durch seinen Hufschlag zwei Brunnen, und wer aus ihnen trinkt, wird zum Dichter. Das erste dem Pegasus gewidmete Gedicht heißt Hippogryph (Hippo: das Pferd, lateinisch).
Hippogryph
Das ist ein Flügelpferd mit Silberschellen,
Das heitere Gesellen
Empor hebt über Heidekraut und Klüfte,
Daß durch den Strom der Lüfte,
Die um den Reisehut melodisch pfeifen,
Des Ernsts Gewalt und Torenlärm der Schlüfte
Als Frühlingsjauchzen nur die Brust mag streifen;
Und so im Flug belauschen
Des trunknen Liedergottes rüstge Söhne,
Wenn alle Höhn und Täler blühn und rauschen,
Im Morgenbad des Lebens ewge Schöne,
Die, in dem Glanz erschrocken,
Sie glühend anblickt aus den dunklen Locken.
In Frisch auf! sitzt der Dichter am Schreibtisch, als ein hübsches Gesichtlein hereinblickt und ihn überredet, hinauszugehen. Und dann …
Drunten aber unter den Bäumen
Stand ein Roß mit funkelnden Zäumen.
Sie schwang sich lustig mit mir hinauf,
Die Sonne draußen ging eben auf,
Und eh ich mich konnte bedenken und fassen,
Ritten wir rasch durch die stillen Gassen,
Und als wir kamen vor die Stadt,
Das Roß auf einmal zwei Flügel hatt,
Mir schauerte es recht durch alle Glieder:
»Mein Gott, ist’s denn schon Frühling wieder?« —
Sie aber wies mir, wie wir so zogen,
Die Länder, die unten vorüberflogen,
Und hoch über dem allerschönsten Wald
Machte sie lächelnd auf einmal halt.
Da sah ich erschrocken zwischen den Bäumen
Meine Heimat unten, wie in Träumen,
Das Schloß, den Garten und die stille Luft,
Die blauen Berge dahinter im Duft,
Und alle die schöne alte Zeit
In der wundersamen Einsamkeit.
Und als ich mich wandte, war ich allein,
Das Roß nur wiehert’ in den Morgen hinein,
Mir aber war’s, als wär ich wieder jung,
Und wußte der Lieder noch genung!
Und schließlich als drittes Das Flügelross. Er besitzt nicht viel, schreibt der Erzähler, der vermutlich ein Dichter ist. Hier gönnt er sich die Erfüllung: mit der Geiebten im Gras zu liegen und ihren Schlaf zu bewachen. Möglich macht’s das Flügelross. (Ein langes Gedicht, hier gekürzt. Das ganze Gedicht finden wir hier.)
Ich hab ein Roß mit Flügeln
Getreu in Lust und Not,
Das wiehernd spannt die Flügel
Bei jedem Morgenrot.
Mein Liebchen! wie so öde
Wird’s oft in Stadt und Schloß
Frisch auf und sei nicht blöde,
Besteig mit mir mein Roß!
(»Schwing auf mein Ross dich nur schnell!« ruft der Soldat in dem gleichnamigen Eichendorff-Gedicht einer Schönen zu: »Denn der Tod ist ein rascher Gesell.«)
Wir segeln durch die Räume
Ich zeig dir Meer und Land,
Wie wunderbare Träume
Tief unten ausgespannt.
Hellblinkend zu den Füßen
Unzähl’ger Ströme Lauf —
Es steigt ein Frühlingsgrüßen
Verhallend zu uns auf.
(…) Dann wird’s Abend.
So lenken wir hernieder
Zu Waldes grünem Haus,
Und ruhn vom Schwung der Lieder
Auf blühndem Moose aus.
Und unten nun verbrauset
Des breiten Lebens Strom,
Der Adler einsam hauset
Im stillen Himmelsdom. —
O sterndurchwebtes Düstern,
O heimlich stiller Grund!
O süßes Liebesflüstern
So innig Mund an Mund!
Die Nachtigallen locken,
Mein Liebchen atmet lind,
Mit Schleier zart und Locken
Spielt buhlerisch der Wind.
Und schlaf denn bis zum Morgen
So sanft gelehnt an mich!
Süß sind der Liebe Sorgen,
Dein Liebster wacht für dich.
Ich halt die blühnden Glieder,
Vor süßen Schauern bang,
Ich lass dich ja nicht wieder
Mein ganzes Leben lang! —
Aurora will sich heben,
Du schlägst die Augen auf,
O wonniges Erbeben,
O schöner Lebenslauf! –
Das wunderbare Pferd oben ist von TheReapersApprentice auf Deviant Art. Es heißt auch Pegasus. Hier ist der Link zur Originalquelle.
Das dritte ist von CozmicDreamer, ebenfalls Deviant Art, und hier die Quelle.
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