Tage in Old Fangak

Vorgestern sprach Josef Ehrler vom Verein Tukulere Wamu in Heitersheim über Old Fangak, wo er im April eine Woche verbrachte. Das ist eine Gemeinde im Norden des Südsudans, des jüngsten Lands der Erde, 2011 entstanden. Es steht in Hinsicht auf die menschliche Entwicklung weltweit auf dem letzten Platz, und auch bei der Korruption trägt das Land die rote Laterne: Platz 180. Die Hälfte des Volks ist vom Hunger bedroht.

Mit dem Titel wollte ich auf den kleinen Erzählband Tage am Point Zero von Stella Gaitano anspielen, der mir sehr gut gefallen hat. Doch nennen wir erst die Fakten.

Der Südsudan, gelegen in Ostafrika und natürlich südlich vom Sudan, ist noch etwas größer als Frankreich, hat aber nur 11,4 Millionen Einwohner. Von den 7000 Kilometern Straßennetz (wenn man das so nennen will) sind nur 190 Kilometer asphaltiert: eine Straße von Uganda in die Hauptstadt Juba (600.000 Einwohner) und noch ein Stück weiter Richtung Norden. Der Rest ist ziemlich unwegsam und unpassierbar, wenn die Regenzeit beginnt. So wie unten sieht das Land aus, vom Flugzeug aus betrachtet. Verstreute Hütten.

Es gibt 60 Ethnien. Die Dinka sind die größte Gruppe, gefolgt von den Nuer. Von 1983 bis 2005 bekriegten sich Nord und Süd, 2011 stimmten 99,8 Prozent im Südsudan für die Unabhängigkeit. Seither bekämpfen sich im Inneren Präsident (Dinka) und Vizepräsident (Nuer). Die reguläre Armee muss sich also mit der SPLA-IO auseinandersetzen, der Befreiungsarmee »in Opposition« und der sogenannten White Army, auch eine Oppositionsgruppe, die Soldaten rekrutiert. Man weiß nicht, wieviel Tote es bisher gab, vermutlich Hunderttausende.

Zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht, und arme Menschen bleiben im Land oder gehen in ein Nachbarland, erklärte Josef Ehrler. Viele Flüchtlinge landeten in Uganda. Da kriegen sie ein Stück Land, dürfen sich eine notdürftige Hütte bauen und sollen sich selbst versorgen. Dann müssen sie etwas anbauen. Doch eigentlich sind die Südsudanesen Rinderzüchter.

Seit die Amerikaner keine Entwicklungshilfe mehr leisten, wird alles knapp. Die »New York Times« hatte vor einer Woche einen Artikel über Somalia, wo viele Säuglinge in schrecklichem Zustand in die Kliniken kommen. Als noch Geld da war, konnte man präventiv Familien besuchen. Aber Trump schenkt Argentinien 40 Milliarden Dollar und baut für 300 Millionen einen Ballsaal. Westliche Staaten zahlen ihr zugesagtes Geld oft leider auch nur schleppend. Doch die mächtigen Männer in Afrika sind vor allem schuld. Wie Trump interessiert sie das Volk überhaupt nicht.

Bei diesen ganzen Vorreden kommen wir nicht richtig zum Thema … Josef Ehrler, der 6 Jahre in Uganda tätig war, flog nach Juba und dann mit Gregor Schmidt, einem Comboni-Missionar, in die Nähe von Old Fangak. Durch den Fangak-Bezirk fließt der Nil, und wenn es viel regnet, gibt es Hochwasser. Überall in Fangak werden Stege gebaut, damit man bei Hochwasser sich fortbewegen kann. Erst am 30. August brach der Deich, an dem mühevoll gearbeitet wurde, wie Josef Ehrler in Bildern zeigte, und das Nilwasser überflutete die Stadt. Das berichteten die Comboni-Missionare, in deren Artikel man auch Bilder sieht. Anfang Mai fielen Bomben auf die Apotheke und das Krankenhaus von Old Fangak; 7 Menschen starben. Gefährliche Gegend.

Pater Schmidt arbeitet seit 2009 im Südsudan. Tukulere Wamu aus Heitersheim unterstützt in Old Fangak auch ein paar Projekte, etwa eine Nähschule.

Geld gab es auch für die Ausbildung von Laien zu Trauma-Therapeuten. Wenn Menschen fliehen, landen sie in Lagern, sind dort desoriebtiert und oft verzweifelt. Man muss ihnen helfen, Fuß zu fassen. 70 Interessierte werden so geschult. Das heißt Counselling & Peace Building und findet im Lager Palorinya statt. (Tukulere Wamu will aber lieber nachhaltige Hilfe leisten. Hacken und Saatgut sind dienlich, auch Schulhäuser müssen repariert und mit Latrinen ausgestattet werden.)

Auf dem Tisch lag ein Gebetbuch aus Palorinya, ich schlug eine Seite auf und las:

Gib mir eine gute Verdauung, Herr, und auch etwas, das ich verdauen kann.  

Die Südsudanesen sind ja Christen (im Sudan sind 95 Prozent Moslems) und können sich gut mit den Israeliten identifizieren, die aus Ägypten auszogen und in die Wüste gingen. Dort beklagten sie sich (Exodus 16,3) bei Moses, er habe sie in die Wüste geführt, um sie alle am Hunger sterben zu lassen. »Da sprach der Herr zu Mose: ›Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen.‹« Das war das berühmte Manna. Die Südsudanesen bekommen auch zuweilen Nahrungsmittel von oben, von einem Helikopter der Vereinten Nationen abgeworfen.

Eine Woche konnte sich Josef Ehrler in Old Fangak umsehen, das nur eine Hauptstraße hat, die man auf und ab gehen kann, ansonsten viele Hütten. Weil viel Platz ist, liegen sie weit auseinander. Der Reisende sagte, Angst habe er nie gehabt. An einem Wochenende reiste er an, die Ämter waren geschlossen, und so fehlte ihm der Beleg für die Einreise. Da musst du dann Dollars abdrücken, um ins Flugzeug steigen zu können. Beim Rückweg fand er einen korrekten Beamten, der ihm den Beleg gegen Gebühr ausstellte, so etwas gibt es auch.

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